78 LE. Theil XIV, Abhandlung.
Dienstzeit von 10 Jahren, und eben so bei einem Inländer 10 jäh- G
rige Gesellendienste gefordert werden , keineswegs als eine geseßliche !
Norm angesehen werde, sondern sich nur auf eine, in der Regel, und
in gewöhnlichen Fällen befolgte Observanz gründet, von welcher jedoch
in allen besonders rücksichtswürdigen Fällen abgegangen werden kann, d:
und wirklich vielfältige Ausnahmen Statt finden ; so ist es gegen- CE
wärtig nicht an der Zeit, hierüber gesetzliche Bestimmungen zu erlassen, g'
indem hierdurch der bevorstehenden Aufhebung oder Modificirung der bv“
Grenzlinie zwischen Polizei - und Commerzialgewerben , und Regu- -
lirung der Zunft - und Gewerbsverfassung im Allgemeinen vorgegriffen
würde.
Commerz. Hofd, vom 5. Febr, 1817.
Hiernach ist eine 10jährige Gesellendienstzeit im Inlande kein ;
auf einer geseßlichen Bestimmung beruhendes Erforderniß, auf wel- d.
<hes ohne Ausnahme auch in rücksichtswürdigen Fällen streng gebal- s
ten werden muß. *
Commerz. Hofd. vom 21. Febr. 1817. m
So sehr es au< in der Billigkeit und Gerechtigkeit gegründet
ist, Verdienste um die inländische Industrie einer vorzüglihen Be- i
rücksichtigung bei Gewerbsverleihungen zu unterziehen, eben so würde
es im Gegensaße ein offenbarer Mißgriff seyn , und gegen das
Interesse des inländischen Kunst- und Gewerbfleißes in jeder Beziehung |
streiten , wenn man einem ausländischen Gewerbsmanne, der sich in
den österreichischen Staaten in der Absicht ansäßig machen will, um
daselbst ein Gewerbs- oder Fabriksunternehmen zu begründen , und
von dessen persönlichen Eigenschaften ein glückliches Gedeihen mit 2
gutem Grunde zu erwarten stehr, die Aufnahme oder die Begrün- “
dung des beabsichtigten Unternehmens einzig und allein aus dem
Grunde versagen wollte, weil derselbe zur Zeit seiner Einwande- 3
rung no<h keine Verdienste umf die Beförderung der österreichischen
Gewerbsindustrie aufzuweisen im Stande ist. In dieser Hinsicht 1
erscheint daher eine Entscheidung , vermöge welcher ein Ausländer, g!
ungeachtet der beigebrachten Zeugnisse über den durch lange Zeit in 3
den vorzüglichsten Hauptstädten Europens ausgeübten Betrieb seiner de
Profession , so wie auch über seine Professionsgeschicklichkeit „ Morali- .
tät und einen angemessenen Unternehmungsfond , mit seinem Ge- de
suche ein Befugniß in Wien bloß aus Mangel von Verdiensten
um die inländische Industrie abgewiesen wurde , mit den Grundsäßen '
der Commerzialgewerbsleitung, die die Beförderung der Ansäßigma- .
<ung fremder ausgezeichneter Gewerbsleute und Künstler zum besonde-
ren Augenmerke haben, im offenbaren Widerspruche ; weßhalb sich auch
die Commerzhofcommission bewogen fand , die gedachte Entscheidung