Full text: Sache, Leben und Feinde

; Schale geworfen hatte... Wäre aber meine Schätzungsart schon 
ı gesetzter gewesen, so hätte ich daraufhin sicherlich nicht Doctor 
1 werden können; denn jede Spur von echter Verachtung des Haupt- 
1 patrons der deutschen Universitätsphilosophie, die mehr als eine 
r blosse Abweichung von seinen Ansichten, also etwa eine Hinweg- 
ı setzung über seine Manier und seinen Credit gewesen wäre, hätte 
als Majestätsverbrechen gegolten und die Zurückweisung auch der 
besten Arbeit unfehlbar zur Folge gehabt. 
2. Ohnedies war ich für einen Promotionscandidaten schon 
viel zu gereift. Ich war beinahe 29 Jahre. Ich war überdies durch 
die juristische Praxis gegangen und hatte mir durch selbständige 
Forschungen in den verschiedensten Richtungen eigne Einsichten 
verschafft. Hätte man auf der Universität vorausgesetzt, ich könnte 
mich einmal unter die Docenten begeben wollen, so dürften mir 
schon bei der Promotion von vornherein mehr Schwierigkeiten in 
den Weg gelegt worden sein. Herr Trendelenburg gab sich aller- 
dings gern den Anschein der Unparteilichkeit, Gerechtigkeit und 
Humanität. Aber neben ihm fungirten schon bei meiner Doctor- 
prüfung auch offenbare Elemente von Judas Stamme. Der Phy- 
sikprofessor Herr Magnus und der Mathematikprofessor Herr 
Kummer waren nicht nur jüdischen Bluts, sondern vereinigten mit 
der Abneigung gegen das, was ausgeprägt von anderweitiger Na- 
tionalität und Denkweise war, auch den engen Sinn richtiger 
Zunftprofessoren. Bei Herrn Kummer entdeckte ich noch über- 
dies, bei Gelegenheit der Begutachtung meines mathematischen 
Anhanges, ein altes verhaltenes Hegelthum. Obwohl er meine 
Untersuchung sonst für. gediegen erklärte, so meinte er doch, ich 
hätte Hegel nicht berücksichtigt und mich nach den Bemerkungen 
in dessen Logik richten müssen. Ich bemerkte ihm, dass ich auch 
diese Hegeldinge zur Mathematik schon von den ersten Studien- 
jahren her längst kennte, mich aber, meinen positiven und ver- 
standesmässigen Ansichten zufolge, nicht hätte entschliessen können, 
sie auch nur zu erwähnen. In der That kam mir diese Verwei- 
sung auf Hegel hochkomisch vor; denn den hegelschen Wider- 
sinn und Gallimatthias, der sich nirgend schöner als in seinen ver- 
standlosen und ignoranten Glossen zu den mathematischen Un- 
endlichkeits- und Differentialbegriffen ertappen und fassen lässt, 
hatte ich sofort nach der ersten Bekanntschaft damit gründlich 
verachten gelernt. Bei Herrn Kummer kam mir die Liebhaberei 
dafür nicht mehr so anomal vor, als dieser Herr sich als einstiger
	        
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