Full text: Von Plato bis zum 19. Jahrhundert (1. Theil, 1. Abtheilung)

X IL 
schäftigte. Es sind nun fast zwanzlg Jahre, dafs sich der Verfasser 
zuerst in Leipzig durch Gründung der Allgemeinen Deutschen Kunst 
zeitung, Sodann in Berlin durch Gründung der Dioskuren, aufse 
mit der Philosophie überhaupt, ausschliefslich mit der praktische 
unstkritik und dem Studium der Kunstgeschichte beschäftigt un 
dabei erkannt hat, von welcher Wichtigkeit eine solche dauernde, 
urch nichts abgelenkte Theilnahme an dem Privatleben der Kuns 
und des Kunstschaffens nicht etwa nur für die intimere Kenntni(fs 
der technischen Seite dieses Schaffens, sondern noch viel mehr für 
die Erkenntnils und Würdigung der psychologischen Seite, nämlic 
für das Studium der besonderen Weise des künstlerischen Anschau- 
ens, Empfindens und Gestaltens ist. — Nun fehlt es zwar weder in 
eutschland noch anderswo an Leuten, die sich ausschliefslich mit 
der Kunst und mit den Künstlern beschäftigen. Aber nur wenige 
ritiker besitzen, wenn auch wohl richtiges Gefühl und Sachkennt 
nis, doch hinreichend philosophische Vorbildung, um ihre ästheti- 
schen Ansichten zu einem in sich abgeschlossenen System der Aes- 
thetik zu gestalten, und die Wenigen, welche solche Vorbildun 
besitzen, sind allzusehr von den Pflichten der Tagespresse absorbirt, 
um sich solchem Unternehmen mit der nöthigen Sammlung hinzu- 
geben. Unsre Philosophen von Fach aber haben soviel mit der Me- 
taphysik und solchen philosophischen Diseiplinen zu thun, dere 
stoffliches Detail sie, ohne ihr Arbeitszimmer zu verlassen, ihrer 
Bibliothek entnehmen können, dafs eine solche praktische Befassun 
‚mit dem wirklichen Leben der Kunst und der Künstler in der Tha 
kaum von ihnen zu verlangen ist. Daher denn auch bei diesen ge- 
Tehrten Herren über nichts so wenig wirkliche Kenntni(s vorhande 
ist als gerade über die Kunst und die ästhetischen Principien. 
Endlich giebt es noch eine dritte Klasse von Schriftstellern, die sich 
mit der Kunst allerdings sehr eingehend beschäftigen, nämlich die 
Kunsthistoriker; allein von diesen ist am allerwenigsten eine philo- 
sophische Betrachtung der Kunst zu erwarten, da sie meist in der 
Kunstgeschichte, wie man zu sagen pflegt, den Wald_vor Bäumen 
nicht sehen. . 
Nur Derjenige, welcher die Entstehung eines Kunstwerks von! 
der ersten rohen Skizze durch alle Stufen seiner Entwicklung bis 
zur Vollendung hin zugleich als psychologischen Proze(s des 
ünstlerischen Geistes selbst zu verfolgen und in dieser sei- 
ner specifischen Genesis zu begreifen vermag, darf sich für befähigt 
und berufen halten, eine Naturgeschichte der Kunst zu schreiben: 
eine solche Naturgeschichte der Kunst aber glaubt der Verfasser al 
die nothwendige Voraussetzung und wahrhafte Basis für die konkrete 
Philosophie des Schönen und der Kunst in dem mannigfaltigen Or- 
anismus ihrer gesammten realen Erscheinungs- und Gestaltungs- 
formen betrachten zu müssen. Wenn man von Dem, was die prak 
ische Kunstkritik und die Kunstgeschichte für die Aesthetik geleistet 
absieht und seinen Blick auf diejenigen Arbeiten richtet, welch 
auf dies Gebiet nicht blos einen gelegentlichen Abstecher machen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.