Full text: Von Plato bis zum 19. Jahrhundert (1. Theil, 1. Abtheilung)

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zu aufserordentlicher Klarheit und Gesundheit des Anschauens und 
Denkens gelangt. Diese Gesundheit charakterisirt namentlich Les- 5 
sing in hohem Grade. Durch die Selbstvernichtung des formell 
Ad: h. abstrakt reflexiven‘ Elements wird aber nun auch die frühere 1Gei 
verständige Schematisirung, d. h. die blos formale Zerlegung der ern 
gegebenen Vorstellungen mitaufgehoben, und es tritt dafür ein zwar deut 
systemloses, aber freies und darum den Verstand selbst be s 8 
freiendes Reflektiren an die Stelle, welches auf vielen Punkten im und 
den eigentlichen Kern des Wahren eindringt. — Fi 
3. Das Dritte ist dann Dies, dafs die freigewordene Kritik 
sich nicht mehr blos auf das künstlerisch Gegebene, sondern auf die | 
in der ersten Stufe als Voraussetzung geltende Form des Denken % 
selbst richtet. Auf der zweiten Stufe wurde diese Voraussetzung fa 
zwar auch negirt, aber sie wurde nur einfach fallen gelassen, um Ö 
die Reflexion durchaus in den Stoff sich versenken zu lassen. Hier, % 
auf der dritten, wird zunächst dieser Stoff wieder fallen gelassen 
um vor Allem die reflektirende Kritik auf jene Form des Denken WI 
selbst zu richten, d.h. das Wesen und die Berechtigung des reflek- ande 
irenden Erkennens zu untersuchen. Hiedurch erhebt sich die Kritik ) 
zu derjenigen Stufe des Denkens, welche — wenn auch immerhin X 
noch auf der Basis der Reflexion, aber mit einem Fulse gleichsam elle 
schon darüber hinaus -— einen dem Inhalt nach wesentlich speku- pular 
lativen Charakter annimmt. Es ist Kant, der das reflektirende ie 
Denken zu dieser Stufe der spekulativen Kritik 1) oder, wenn. man geW0 
will, der kritischen Spekulation emporhebt. Indem er die Kritik MB 
nicht mehr auf das Gegebene, die Werke der Kunstgeschichte, son und 
dern auf die Thätigkeitsform des Geistes selbst richtet, vollendet er at 
durch seine „Kritik der Urtheilskraft“ die dritte Stufe und dami A 
diesen ganzen Abschnitt in dem gesammten Entwicklungsproze(s de Sn 
ästhetischen Bewufstseins überhaupt. — Gegenüber der in die objek fern 
tive Welt des Kunstschönen sich versenkenden und daraus ihre allge- RICH 
meinen Gesetze der Aesthetik schöpfenden, objektiven, aber unsyste Dr 
matischen Kritik Lessing’s erscheint die Kritik Kant’s, sofern 
sie sich an den subjektiven Geist selbst heranmacht, um in ihm die 
Quelle des Schönen zu erforschen, einerseits subjektiv und abstrakt 
andrerseits aber auch, als Kritik, absolut, weil sie die gegebene ob 
jektive Welt des Kunstschönen nur fahren läfst, um sich lediglich : 
auf das Denken selbst zu stellen und aus ihm die Kriterien fü 
ten. A 
1) Es ist daher bezeichend, dafs er seine Werke selbst als Kritiken bezeichnet: 
‚Kritik der reinen Vernunft“, „Kritik der Urtheilskraft“ u. 8. f.
	        
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