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weil es ihm dabei mit Recht zunächst auf den einfachen Unter-
schied zwischen dem Princip der objektiv schönen Erscheinung
und dem der schönen Innerlichkeit ankommt. Wenn nun auch
hierin allerdings der allgemeinste Gegensatz zwischen dem Antiken
und dem Modernen überhaupt besteht, so denkt doch Schiller keines-
wegs. bei dem Sentimentalen an das sogenannte Romantische allein;
sondern es ist eben die reflektirte Innerlichkeit, die Empfindung,
das subjektive Sentiment und dessen Ausdrucksform gegenüber ;
der plastischen Unmittelbarkeit_der Antike und deren künstlerischer N
Objektivität, was er im Auge hat. fe
Jenes Moment der Hinneigung — um nicht zu sagen: Be- fe
schränkung -— des ästhetischen Reflektirens auf die Poesie ist nun The
für diese ganze Richtung sowie für die sıch daran anschliefsende, Ir
mit Recht romantisch zu nennende der beiden Schlegel, gegen- dern
über aller sonstigen Unterscheidung, so bestimmend, dafs in ihm fe
geradezu eine Umkehrung der Tendenz der durch Winckelmann be- Den
gründeten Richtung liegt: dort, bei Winckelmann, ist es eben die antike 7
Kunstanschauung, d. h. das plastische Schönheitsgesetz, welches RI
auf alle anderen Künste als maafsgebend angewandt werden sollte;
hier, bei der nschkantischen Popular-Aesthetik, ist es das poetische ;
Schönheitsyesetz, mit dem nun auch alle übrigen Künste gemessen
werden. Wenn nun hierin hinsichtlich der geschichtlichen Entwick- ©
lung ein Fortschritt gegen die Einseitigkeit des Winckelmann’schen Fi
Standpunkts erkennbar ist, so ist doch anderseits nicht zu vergessen, x.
dafs derselbe nur dadurch erzielt wurde, dafs man zunächst in eine N
ähnliche, wenn auch entgegengesetzte Einseitigkeit verfiel. Um das N
Wesen dieses Fortschritts sowohl, wie die in ihm liegende Einseitig- =
keit zu erklären, müssen wir jene beiden Momente schärfer zu fassen x
wersuchen. Wenn man nämlich die männigfachen Vergleichungs- f
punkte derselben auf ihre einfachen Elemente zurückführt, so er-
kennt man, dafs darin der schlichte Gegensatz von Gestalt und
Seele, d. h. von Aeufserlichkeit und Innerlichkeit, liegt, welche
in beiden Richtungen zum einheitlichen Begriff des Kunstschönen
sich verbinden sollen. Sie werden auch in beiden wirklich verbun-
den, aber so, dafs dasjenige Moment, was in der einen die Haupt-
sache ist, in der andern als Nebensache erscheint und umgekehrt:
dort (bei Winckelmann und Göthe) ist es die „ausdrucksvolle (be- /
„deutungsvolle) Schönheit“, hier das „schön Ausgedrückte“,
was als Ziel gesetzt ist. Aus diesem Gegensatz erklärt es sich nun,
warum bei Winckelmann gerade die Skulptur, d. h. die Kunst
der äufserlichen Schönheitsgestaltung, bei den Kantianern da-