Full text: Von Plato bis zum 19. Jahrhundert (1. Theil, 1. Abtheilung)

darin, dafs der Laie — um es kurz zu sagen — bei der Betrach- 
tung des Kunstwerks zunächst und hauptsächlich das „Was“, d. h 
den objektiven Inhalt des Dargestellten, in’s Auge fafst und, ob 
und wiefern dieser schön sei, beurtheilt, während der Künstler vor 
lem nach dem „Wie“ fragt, d. h. nach der Weise der Auffassung 
in welcher der Inhalt, der ihm als solcher verhältnifsmäfsig indiffe- 
rent ist, zur Darstellung gebracht erscheint. Diese Frage nach de 
„Was“, oder, wie man es auch ausdrücken kann, nach der künstle 
rischen Idee, als Inhalt der Darstellung, führt demnach den Laie 
zu einem Urtheil über das objektiv-Schöne, d. h. über das Na- 
urschöne, während die andere nach dem „Wie“ den Künstler 
zu einem Urtheil über das subjektiv-Schöne oder über da 
Künstlerische führt. Zu diesem Künstlerischen gehört, von sol- 
chem Gesichtspunkt aus, nun auch wesentlich das Technische, die 
mehr oder minder grofse Geschicklichkeit des Machwerks u. s. f. 
‚Der eben angedeutete Widerspruch des Interesses in de 
Gegensatz des laienmäfsigen und künstlermäfsigen Anschauens un 
Urtheilens, obschon beide auf der von der Reflexion unverfälschten 
nmittelbarkeit der Intuition beruhen, erscheint : nun, jede Seite für 
sich genommen, als Einseitigkeit der Standpunkte selbst, 
und da die beiden Seiten einander gerade entgegengesetzt sind, so 
ist eine Verständigung zwischen ihnen ganz unmöglich. Wenn ei 
Laie, der auf dem Standpunkt des reinen Empfindungsurtheils steht, 
sich mit einem Künstler über Fragen der Kunst, z. B. über de 
Werth und die Eigenschaften eines Kunstwerks unterhält, so ist es 
bschon sie dieselben Wörter brauchen, doch, als sprächen sie ganz 
verschiedene Sprachen. Eher noch ist eine, wenn auch immer nu 
annäherungsweise Verständigung zwischen dem Laien und dem re- 
ektirenden Beurtheiler, sowie zwischen diesem und dem Künstler, 
möglich; aber freilich, wenn zwischen Laien und Künstler ein völ- 
ligos gegenseitiges Nichtverstehen herrscht, so waltet hier ein fast 
noch schlimmeres Mi(lsverstehen des Einen und Anderen ob. 
Nur der spekulative Philosoph, eben weil er diese Standpunkt 
in ihrem Wesen, d. h. nach ihrer Einseitigkeit und in ihren Grün- 
en begreift -— und dies Begreifen wird ihm nur durch jene Aus- 
leichung der Gegensätze selbst _in_sich möglich —, kann sich 
ebensowohl mit dem Laien wie mit dem Künstler völlig verständigen. 
Es wurde vorhin bemerkt, dafs der Laie das Kunstwerk wie 
ein „Naturobjekt“ anschaue und beurtheile. Der Grund liegt eben 
in der Frage nach dem „Was“; denn das Was, als der objektive 
arstellungsinhalt, ist diejenige Seite in dem Kunstwerk, für weiche
	        
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