auf's Angenehmste kitzelt) seine Galle über diese Heroen des Gedankens u
aus, Denker, wie sie seit Aristoteles nicht auf der Erde erschienen und KO
zu denen die deutsche Nation mit dankbarer Bewunderung aufblickt, und An
denen ein Herr Lemcke, wie man zu sagen pflegt, nicht die Schuhriemen Br
aufzulösen würdig ist. (Vergl. im Uebrigen dre Kritik des Lemcke’schen dr
uchs in der Deutschen Kunstzeitung 1870 No. 5. 6.) | A
2. Was zweitens Gervinus betrifft, so ist hinsichtlich seines Stand- Ar
punkts zunächst als charakteristisch hervorzuheben, dafs er sich selbst =
als den entschiedenen Vertreter des wissenschaftlichen Laienthums hinstellt. a
Er hat ein lehrreiches Buch Händel und Shakespeare. Zur Aesthetik de DB
Tonkunst geschrieben, worin er (in der Widmung an Chrysander) aus- il
drücklich hervorhebt, dafs er „über Musik nur als ein Laie spreche
„dessen Interesse in dieser wie in jeder anderen Kunstnur auf die ästl
„Kunst und durchaus undin keiner Weise auf die Technik und ästle
„Wissenschaft gehe, von der er, sei es in dieser, sei es in &. AUS
„plastischen Künsten, so gut wie nichts verstehe.“ Wo er AO,
„Je unternommen habe, über musikalische Gegenstände zu reden, habe Stand
„er stets in einseitigster Strenge diesen einseitigen Laien- Nach
„Standpunkt der blofsen (!) Betrachtung des geistigen Gehaltes, Stoteh
„der ästhetischen Bedeutung, des eigentlichen (?) Kunstwerthes Helt
„musikalischer Werke eingehalten. So thue er auch hier. Und er höre
„schon die geringschätzigen Rügen (gewifs!) dieser Einseitigkeit von .
„Seiten der Kenner und Meister, denen er nur zu bedenken gebe, dafs
„die blofse Möglichkeit, die blofse Neuheit eines solchen einsei-
„tigen Standpunktes nach so vielen Jahrhunderten, ja Jahrtausenden
„Musikalischer Praxis unstreitig doch eine unendlich größere, eine säku- x.
„lare Einseitigkeit von der anderen Seite beweist.“ —
Wie sich Gervinus eine Betrachtung des „eigentlichen“ Kunstwerthe hs
ohne Kenntnifs der Technik und der Wissenschaft möglich denkt
sagt er nicht; uns scheint dies ungefähr ebenso denkbar, als ob Jemand Ed
der ein naturwissenschaftliches Werk schreiben will, erklärte, sein Inter ;
esse gehe nur auf die Natur, in keiner Weise aber auf die Thiere, Pflan- | 4
en u. s. f., ihre Eigenthümlichkeiten, kurz, auf das technische und
wissenschaftliche Detail der Naturdinge und der Gesetze ihres Lebens, N
von denen er „so gut wie nichts verstehe“. Dergleichen Behauptungen )
assen sich — sollte man glauben — rücksichtlich ihrer Einseitigkeit nun En
kaum noch, überbieten; dennoch macht auch hier Gervinus noch einen SO
Klimax möglich, indem er diese Einseitigkeit, deren er sich voll- On
kommen bewulst ist, als Kriterium seines wissenschaftlichen Standpunkte N
aufstellt, d. h. als Motiv fürs eine Berechtigung, über Dinge, von denen nn
er eingestandener Maafsen nichts versteht, zu reden und dicke Bücher zu a
schreiben. Man wäre in der That versucht, in diesem ganzen Werke eine x
ystifikation des Lesers zu vermuthen, widerspräche einer solchen An- |
nahme nicht der Inhalt, der an feinen und sinnigen Bemerkungen reich Ca
ist, freilich aber auch wieder von gröbstem_Mifsverständnifs und platte;
ster Mifskenntnifs Zeugnifs giebt.
Für uns ist hier zunächst das von Gervinus wohl zum ersten Ma
unter Schriftstellern, die auf Wissenschaftlichkeit einigen Anspruch er-
heben, als berechtigt aufgestellte Princip des Laienthums nicht etws nn
blos für den Genufs der Kunstwerke, sondern für die wissenschaft- uch
liche Kritik auf dem Gebiet der Aesthetik von Interesse, das Princip ß
nämlich, auf das Zugeständnifs hin, dafs man „nichts von der Kunst He
verstehe“, die Berechtigung zu gründen, besseren Rath nicht anzunehmen, "
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