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a. a. O.) wird Aristoteles, im Unterschiede von Plato und Plotin, dahin
charakterisirt, dafs er „an der Alleinmustergiltigkeit der Form entschie-
„den festgehalten“, während Plato unbestimmt „zwischen Form und
„Gehalt“ (in der Bestimmung des Schönheitsbegriffs) „umhergeschwankt“
sei und Plotin nur im „Gehalt das Schöne gesucht“ habe. Mit der-
gleichen leeren Kategorien ist aber, abgesehen von ihrer Schiefheit, fü
die gedankliche Bestimmung der ästhetischen Standpunkte der drei gröfs
ten antiken Aesthetiker ebenso wenig gethan, wie mit der typischen Be-
eichnung Plotins als des Romantikers gegenüber dem Aristoteles als
es Klassikers des Alterthums (S. 147), wobei er denn in Verlegenheit
ist, mit welchem Epithet er Plato versehen soll. Schade, dafs er nicht
uf den Titel Symboliker verfallen ist, dann würde die Hegel’sche Tri-
haste in der Eintheilung der Künste — nämlich in symbolische, klassi-
che und romantische — ganz im Sinne des Herbartianismus erscheinen.
Solche Abstempelung philosophischer Charaktere — statt ihrer charak
teristischen Ausprägung — ist nicht nur wohlfeil, sondern auch bedenk-
lich, weil sie durch die mit solchen geläufigen Typen verbundenen ander-
weitigen Vorstellungen einen falschen Nebensinn erhalten. Vollends bei
Plotin. Was will Z. bei diesem mit solcher Bezeichnung eines antiken
Romantikers andeuten, nachdem er ihn kurz zuvor wegen seiner orien-
alisirenden Neigung getadelt hat?
32. Zu Nro. 119 £S. 226): Man hat von dem Kanon des Polyklet
viel Aufhebens gemacht. .
Ueber den Doryphoros des Polyklet äulsert Zimmermann (Gesch.
d. Aesthetik S. 118), gleichsam als Kommentar zu der bekannten Stelle
des Plinius, welche wohl nicht viel mehr als eine rhetorische Phrase ist
solus, sc. Polycletus, hominum artem ipsam fecisse artis opere judicatur):
„Der Schönheitskanon stellt die nichtsinnliche, weil nur im Maafse be-
„stehende Form des Uebersinnlichen (!), der Idee des Menschen, am
‚Sinnlichen dar, wodurch dieses zum Schönen wird“. Kann aber eine
Form blos aus Maafsen bestehen, und wenn dies der Fall wäre, können
blofse „Maafse‘“ dargestellt. werden? Ferner aber, ist die Gröfse, das
Minimal- und Maximalmaafs im Ganzen, dabei denn ganz gleichgültig?
Was heilt es ferner, wenn Z. fortfährt: „Der Doryphoros ist der Mensch
„in seiner Reinheit gedacht, das abstrakte Gattungsbild ... ein
„sinnliches Abbild des Mustermenschen... Während die Natur
„nur Einzelne, nicht den Menschen, giebt der Doryphoros diesen wieder.
„Wie die Idee, so ist der Schönheitskanon ohne Individualität, ohne
„Besonderung, die über das Wesen der Gattung hinausgeht; nichts als
„Mensch ist er der ganze Mensch“ —. Ganz richtig erinnert daher Z.
bei diesem marmornen Mustermenschen an das platonische Gattungs
bild. Denn wie dieses ist er lediglich ein leeres Abstraktum, oder viel-
mehr er soll es sein, ist es aber nicht. Wie? der Doryphoros Soll „ohne
„Besonderung“, „nichts als Mensch, aber der ganze Mensch“ sein, und
doch stellt er nur den Mann dar? Rechnet Z. des Weib nicht zum
enschen, oder betrachtet er es wenigstens nicht als eine ebenso be-
stimmte und berechtigte Besonderung der „Idee des Menschen“ wie den
Mann? Bildet das Weib nicht in Allem, körperlich wie geistig, eine
tegensatz zum Manne, und ist die Einheit dieses Gegensatze
nicht erst der ganze Mensch? Läfst sich aber diese Einheit, die als kon
krete und in der Doppelseitigkeit_ der Besonderung besteht als Einzel
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