Full text: Von Fichte bis auf die Gegenwart (1. Theil, 2. Abtheilung)

1190 
a. a. O.) wird Aristoteles, im Unterschiede von Plato und Plotin, dahin 
charakterisirt, dafs er „an der Alleinmustergiltigkeit der Form entschie- 
„den festgehalten“, während Plato unbestimmt „zwischen Form und 
„Gehalt“ (in der Bestimmung des Schönheitsbegriffs) „umhergeschwankt“ 
sei und Plotin nur im „Gehalt das Schöne gesucht“ habe. Mit der- 
gleichen leeren Kategorien ist aber, abgesehen von ihrer Schiefheit, fü 
die gedankliche Bestimmung der ästhetischen Standpunkte der drei gröfs 
ten antiken Aesthetiker ebenso wenig gethan, wie mit der typischen Be- 
eichnung Plotins als des Romantikers gegenüber dem Aristoteles als 
es Klassikers des Alterthums (S. 147), wobei er denn in Verlegenheit 
ist, mit welchem Epithet er Plato versehen soll. Schade, dafs er nicht 
uf den Titel Symboliker verfallen ist, dann würde die Hegel’sche Tri- 
haste in der Eintheilung der Künste — nämlich in symbolische, klassi- 
che und romantische — ganz im Sinne des Herbartianismus erscheinen. 
Solche Abstempelung philosophischer Charaktere — statt ihrer charak 
teristischen Ausprägung — ist nicht nur wohlfeil, sondern auch bedenk- 
lich, weil sie durch die mit solchen geläufigen Typen verbundenen ander- 
weitigen Vorstellungen einen falschen Nebensinn erhalten. Vollends bei 
Plotin. Was will Z. bei diesem mit solcher Bezeichnung eines antiken 
Romantikers andeuten, nachdem er ihn kurz zuvor wegen seiner orien- 
alisirenden Neigung getadelt hat? 
32. Zu Nro. 119 £S. 226): Man hat von dem Kanon des Polyklet 
viel Aufhebens gemacht. . 
Ueber den Doryphoros des Polyklet äulsert Zimmermann (Gesch. 
d. Aesthetik S. 118), gleichsam als Kommentar zu der bekannten Stelle 
des Plinius, welche wohl nicht viel mehr als eine rhetorische Phrase ist 
solus, sc. Polycletus, hominum artem ipsam fecisse artis opere judicatur): 
„Der Schönheitskanon stellt die nichtsinnliche, weil nur im Maafse be- 
„stehende Form des Uebersinnlichen (!), der Idee des Menschen, am 
‚Sinnlichen dar, wodurch dieses zum Schönen wird“. Kann aber eine 
Form blos aus Maafsen bestehen, und wenn dies der Fall wäre, können 
blofse „Maafse‘“ dargestellt. werden? Ferner aber, ist die Gröfse, das 
Minimal- und Maximalmaafs im Ganzen, dabei denn ganz gleichgültig? 
Was heilt es ferner, wenn Z. fortfährt: „Der Doryphoros ist der Mensch 
„in seiner Reinheit gedacht, das abstrakte Gattungsbild ... ein 
„sinnliches Abbild des Mustermenschen... Während die Natur 
„nur Einzelne, nicht den Menschen, giebt der Doryphoros diesen wieder. 
„Wie die Idee, so ist der Schönheitskanon ohne Individualität, ohne 
„Besonderung, die über das Wesen der Gattung hinausgeht; nichts als 
„Mensch ist er der ganze Mensch“ —. Ganz richtig erinnert daher Z. 
bei diesem marmornen Mustermenschen an das platonische Gattungs 
bild. Denn wie dieses ist er lediglich ein leeres Abstraktum, oder viel- 
mehr er soll es sein, ist es aber nicht. Wie? der Doryphoros Soll „ohne 
„Besonderung“, „nichts als Mensch, aber der ganze Mensch“ sein, und 
doch stellt er nur den Mann dar? Rechnet Z. des Weib nicht zum 
enschen, oder betrachtet er es wenigstens nicht als eine ebenso be- 
stimmte und berechtigte Besonderung der „Idee des Menschen“ wie den 
Mann? Bildet das Weib nicht in Allem, körperlich wie geistig, eine 
tegensatz zum Manne, und ist die Einheit dieses Gegensatze 
nicht erst der ganze Mensch? Läfst sich aber diese Einheit, die als kon 
krete und in der Doppelseitigkeit_ der Besonderung besteht als Einzel 
7
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.