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46. Zu Nro. 200 (S. 369): .. . dafs die Kunst (in ethischem Sinne)
nützliche Zwecke zu verfolgen habe.
Wenn daher Zimmermann, der Mendelssohn in der Schlufsbemerkung
(S. 186) geradezu entstellt, indem er ihm unterlegt, er habe die Schön-
heit nach dem Grade ihrer Zweckmäfsigkeit bemessen (während M. in
der That nur für die Kunst eine Art Moralprincip aufstellt), in den
ersten Worten, die er über Moritz sagt, gleichsam triumphirend ausruft,
dieser habe ihm (Mendelssohn) „schon treffend erwidert, dafs nach die-
„ser Begriffsbestimmung das Schöne in das blos Nützliche aufgehe‘‘, so
beweist er damit nur, dafs sich sein Reflektiren nicht über den Stand-
punkt der Popularphilosophie des 18ten Jahrhunderts erhebt. Er spricht
mechanisch nach, was Moritz vorspricht, ohne auch nur die Berechtigung
dieses Einwurfs_zu prüfen.
47. Zu Nro. 208 (S. 386): ... der verrotteten Kunstanschauung
der Zeit gegenüber ein grofser Fortschritt war: dies ist die positive
) Seite der Frage
Sowohl Zimmermann wie Lotze, statt objektiv die gedankliche
Stellung Winckelmann’s, auch in ihrer Besonderheit, und wenn man will,
Beschränktheit, als einen wichtigen Fortschritt zu erkennen und anzuer-
kennen, begleiten fast jedes Citat seiner Ansichten mit weisen Bemer-
kungen über ihre Unzulänglichkeit, ja scheuen sich selbst nicht, versteck-
ten Spott gegen ihn zu. richten. — Im Uebrigen ist. hinsichtlich der
Auffassung Winckelmann’s seitens Zimmerm ann’s dies als auffällig zu
bemerken, dafs er — wie schon früher beiläufig erwähnt — ihn erst im
dritten Kapitel unter dem Titel Künstler und Kunstfreunde behandelt,
während er Lessing, dessen Standpunkt — wenigstens gegenüber der
bildenden Kunst — nur durch den Winckelmann’s zu begreifen ist, viel
früher, am Ende des ersten Capitels — also durch ein ganzes mehr als
100 Seiten umfassendes, den Franzosen und Engländern gewidmetes Ca-
pitel getrennt — abgehandelt hat. Diese Anordnung ist ebenso räthsel-
haft wie die Unterordnung Winckelmann’s unter die „Künstler und Kunst-
„„freunde‘‘, wobei es ohnehin ungewifs bleibt, ober ihn zu der ersteren
oder zu der zweiten Gattung rechne. (S. die folg. Nro.).
48. Zu Nro. 209 (S. 388): Diese äufserlichen Widersprüche hat man
„ihm als innere entgegengehalten .
Auch diese Bemerkung bezieht sich zunächst und hauptsächlich auf
Zimmermann und Lotze. Des Ersteren Charakteristik der Winckel-
mann’schen Aesthetik (S. S. 313 ff.) beschränkt sich im Grunde nur auf,
Auszüge aus seinen Werken und auf den Nachweis, dafs die einzelnen
Ansichten sich widersprechen. Nun haben wir (im II. Cap. des I. Buches:
No. 35) dem Plato einen ähnlichen Vorwurf gemacht, und es ist bekannt,
dafs man — namentlich seitens der Philologen — denselben Gegengrund
aufstellt, der hier bei Winckelmann geltend gemacht wurde. Die Sache
ist aber bier eine wesentlich andere. Plato gilt nicht nur, sondern will
auch als Philosoph ersten Ranges, im specifischen Sinne des Worts, gel-
ten. Wenn er daher in einem Dialog eine Begriffsbestimmung giebt, die
einer denselben Inhalt betreffenden in einem andern Dialog völlig wider-