Full text: Von Fichte bis auf die Gegenwart (1. Theil, 2. Abtheilung)

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„gegen das reine Urbild, die ein wesentliches Merkmal des Platonismus 
„ausmacht‘. Wie ist es nur möglich, das ganz gestaltlose Abstraktum 
des Schönen Plato’s mit der nur in der Gestalt gesuchten Schönheit 
Winckelmann’s in einen Topf zu werfen! Wenn irgendwo ein Gegensatz 
herrscht, so ist es zwischen Plato und Winckelmann. Zimmermann aber 
schliefst seine Sätze zum Ueberfluls noch mit der Bemerkung: „So wur- 
„zelt Winckelmann’s Lehre ihrem Wesen nach im Boden der Platoni- 
„nischen Aesthetik“ u.s.f. Eine Widerlegung solcher fabelhaften 
Behauptungen ist wohl für einen sinnigen Leser nicht nothwendig. Was 
Lotze betrifft, so ist er zwar klug genug, sich auf einige Citate — wo 
bei denn die Stelle über das vollkommenste Wasser ebenfalls ihre Rolle 
spielt — und einige unbestimmte Redensarten zu beschränken, versteigt 
sich aber dann doch auch zu der kühnen Behauptung, dafs dies Winckel- 
mann’sche Z/deal den Fehler besitze, dafs es im Form(losen leisten solle, 
was eben nur die Form zu leisten vermag; während Winckelmann sich 
gerade — und wie redlich! — abmüht, das Formideal zu finden. 
Wie anders würdigt Schelling den grofsen Kritiker (Vergl. die 
schöne Stelle im Text. S. 848). Indessen können wir doch auch mit ihm 
nicht ganz übereinstimmen. Wenn er kurz zuvor an der angeführten 
Stelle (S. 846) sagt: „Die höchste Schönheit erschien bei ihm (Winckel- 
„mann) nur in. ihren getrennten Elementen, auf der einen Seite als 
„Schönheit, die im Begriff und aus der Seele fliefst, auf der andern Seite 
„als die Schönheit der Formen, ‚ohne dafs er zeigt, welches thätig 
„wirksame Band nun aber beide zusammenbindet“, so haben wir nach- 
gewiesen, wie jene Stufenleiter der Schönheit gerade in der höchste 
Stufe, der Schönheit des Ausdrucks, sich zu einer konkreten Totalität zu- 
sammenschliefst. Schelling fährt fort: „Dieses lebendige Mittelglied be- 
„stimmte Winckelmann nicht; er lehrte nicht, wie die Formen von dem 
„Begriff aus erzeugt werden können“ ... u.s.f. Dies Letztere that er 
allerdings nicht, und es wäre Schelling’s Aufgabe gewesen, zu erklären 
weshalb Winckelmann zu dieser tieferen Auffassung nicht gelangen konnte, 
Allein die Schlufsfolge ist nicht richtig. Denn ohne solche Entwicklung 
aus dem Begriff fehlte Winckelmann das Mittelglied oder vielmehr die 
insicht von dem inneren Zusammenhange der einzelnen aufsteigenden 
Schönheitsformen keineswegs. Um so bewundernswürdiger ist, trotz sei- 
nes im Allgemeinen reflexiven Standpunkts, die tiefe Vorahnung de 
Wahren! Wie quält er sich ab, zum spekulativen Begriff des höchsten 
Schönen als der erscheinenden Idee selbst durchzudringen! Dies sollte 
Schelling nicht unbeachtet gelassen haben. — Und wenn man dieser 
noch immer nicht hinlänglich würdigenden Beurtheilung Winckelmann’s 
von einem ihm ebenbürtigen Geist gegenüberhält, was z. B. Zimmerman 
(S. 328) darüber sagt, nämlich: es sei ein „Lob, bedenklicher freilich al 
„mancher Tadel“, so weils man nicht, was man von dem Fortschritt de 
Wissenschaft denken soll. Auch eine Aeufserung Feuerbach’s (Vatic 
Apollo S. 12 ff. nebst Anm.) enthält das Mifsverständnifs, als ob Winckel- 
mann unter seiner stillen Gröfse nichts anderes_als „Ruhe und plastische 
„Abgeschlossenheit“ gemeint_habe 
0. Zu Nro. 222 (S. 417): Diejenigen, welche über die Allegorie 
Winckelmann’s spotten . . 
— Justi, der sorgfältige Biograph Winckelmann’s, giebt in seiner Be- 
urtheilung dieser Frage einen Beweis dafür, dafs_die fleifsigste und stoff- 
1 A
	        
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