Full text: Von Fichte bis auf die Gegenwart (1. Theil, 2. Abtheilung)

Grund der Vergleichung beider Abschnitte, dafs, wenn eine solche Insi- 
nuation hier wirklich vorliegt, sie einfach und doppelt lächerlich er- 
scheint; oder sollte etwa Vischer, weil Herder bereits einige Gedanken 
über die Schönheitsbildungen in den verschiedenen Naturreichen gehabt, 
die seinigen, viel tieferen und umfassenderen, unterdrücken? Von einen 
Pagiat aber — denn dies will schliefslich doch. Zimmermann zu ver- 
stehen geben — sollte er lieber keine Andeutung machen, namentlich 
nicht, ohne sofort den detaillirtesten Beweis anzutreten. Lotze spricht 
ihm dies nach, doch drückt er sich hinreichend vorsichtig aus, um alle 
möglichen Deutungen zuzulassen, indem er (S. 74) bemerkt, dafs „diese 
„(Herder’schen) Darstellungen das Muster vieler anderen in spätern 
„Lehrbüchern der Aesthetik geworden sind.“ Welcher anderen? fragen wi 
auch hier. 
4. Zu Nro. 246 (S. 480): ... Antipathie gegen eine Entgegen 
setzung von Natur und Kunst. . 
Zimmermann (Gesch. d. Aest. S. 451) giebt Herder darin Recht, 
dafs er bei der Frage, ob etwas schön sei, es für gleichgültig betrachtet 
wissen will, ob es sich dabei um ein Natur- oder um ein Kunstwerk 
handelt. Er meint: „Ueberhanpt, ob Kunst- oder Naturwerk, geht den 
„rein ästhetischen Beurtheiler nichts an. Um zu entscheiden über Schön- 
„heit oder Häfslichkeit, ist die Frage müfsig. Der Ursprung eines Werks 
„ändert nichts an seinem Werth oder Unwerth.“ Er ändert Alles! 
in lausiger und zerlumpter Betteljunge ist wohl schwerlich in der Wirk- 
lichkeit für schön zu halten, ist aber deshalb ein Murillo’scher Bettel 
junge kein Kunstwerk, und als solches nicht schön? Der Unterschied, ja 
der Gegensatz zwischen Naturschönheit und Kunstschönheit ist grade 
ür die Aesthetik die allerwichtigste Frage. Schon der alte Aristotele 
wufste dies, wenn er bemerkt, dafs „Das, was uns in der Natur abstöfst 
„und widrig erscheint, in der Kunstdarstellung Wohlgefallen errege“. 
Aber freilich, für unsre modernen Eklektiker hat Aristoteles umsonst ge 
dacht. — Dieselbe Mifskenntnifs vom Wesen des Künstlerischen spricht 
sich in den Worten Zimmermanns (S. 455) aus: „Wohl hat Herder 
„Recht, wenn er sagt: „Wie, in der steinernen, todten (!) Nachahmung 
„wäre schöne Kunst, was, lebend dargestellt, es nicht sein sollte?“ — 
wobei noch zu bemerken, dafs er Herder ganz falsch ausdeutet, wenn ern 
dabei von „schöner Kunst des Lebens“ spricht. 
55. Zu Nro. 251 (S. 492): . . . wie Goethe den Gegensatz zwischen 
Winckelmann und Hirt . . . zu versöhnen suchte, 
Zimmermann erwähnt natürlich bei dieser Gelegenheit Winckelmann’ 
ebenfalls, aber nur, um immer von Neuem auf das triviale Stichwort vom 
geschmacklosen Wasser zurückzukommen, so’ dafs er zuletzt von ihm nichts 
weiter anzuführen weifs als diese Albernheit (Albernheit in Hinsicht der 
Auslegung). Wir finden es z. B. S: 329. 330. 333. 356. 357. 361. 369. 
u. s. f., so dafs es in der That nicht weiter lohnt, seine Auffassungs- 
weise einer Kritik zu unterwerfen; um so weniger als, je mehr er sich 
er Gegenwart nähert, desto einseitiger und partelischer seine Darstellung 
der betreffenden Aesthetiker wird - 
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