Full text: Das aesthetische Problem

heimnis. Vielleicht wurde darum die Kunst in reli- 
giösen Zeiten, die sie ernst nahmen, als etwas Kultisches st 
angesehen. n 
Sobald das Kunstwerk im Geist seines Schöpfers voll- S 
endet und von ihm veräußerlicht ist und von Menschen A 
aufgenommen wird, tritt es in die Ebene des Lebens . 
hinaus, wird selbst ein Teil des Lebens und kann für 
andere zum Eindruck werden. Ob es gehört, gelesen, 
geschaut wird, ob es als Gemälde oder Bauwerk 
mechanisch festgehalten, als Musik oder Gedicht auf 
Wellen eines Hauches weitergetragen wird, als Tanz an 
uns vorüber gleitet, als Ornament auf einem Kleid oder 
einer Waffe uns eine Weile ergötzt, es tritt in die un- 
endlichen Beziehungen des Lebens ein und löst eine 
Reihe von Wirkungen aus, die keineswegs alle künstle- 
rischer Natur sind. Es ist ebenso nötig als schwierig, 
alle die vielen nicht künstlerischen Momente, die seine 
Betrachtung und seine Wirkung beeinflussen, vom 
ästhetischen Problem, von der Frage der vollendeten 
Form zu trennen, weil ohne diese Trennung kein reiner 
künstlerischer Genuß und kein wirkliches Verständnis 
möglich ist. 
Dies und nur dies ist der Sinn des Wortes: „l’art pour 
Part“, das, richtig verstanden, nur für den anfechtbar 
ist, der seinen Sinn und den der Kunst noch nicht er- 
kannt hat. Sowie in der Wissenschaft die Wahrheit um 
der Wahrheit willen gesucht wird, so in der Kunst die 
Form um der Form willen. Sowie die Ergebnisse der 
Wissenschaft die mannigfachsten praktischen und sitt- 
lichen Wirkungen auslösen, aber nur die Frage nach der 
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