Full text: Theorie des Gefühls zur Begründung der Aesthetik

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Glaubenden, als mit dem Wesen des Menschen identisch 
erkennen lehrt. Wir können den Stoff, der den Dichter, 
den Künstler begeistert, ganz kurz bezeichnen im Anschluss 
an einen bekannten Goetheschen Ausdruck: das ewig 
Menschliche. „Der vollkommene Dichter spricht das 
Ganze der Menschheit aus,“ sagt Schiller im Briefwechsel 
mit Goethe. 
Etwas verschieden von dieser Auffassung ist es, wenn 
Vischer in der Aesthetik und besonders entschieden in der 
Selbstkritik derselben als die Wahrheit, welche die Kunst 
zum Ausdruck bringen soll, die grosse philosophische Wahr- 
heit, den reinen Ausdruck des Vernünftigen, die Frkenntnis 
von der wesentlichen Einheit von Geist und Natur be- 
zeichnet. Neu ist hier gegenüber dem vorher genannten 
Standpunkt, dass es speziell das wesentliche Verh ältnis 
von Geist und Natur ist, welches im Schönen — nicht er- 
kannt, aber empfunden werden soll. Dass man so die höchste 
philosophische Wahrheit bezeichnen kann, ist auch keine 
Frage, ja sofern jede Erkenntnis in erster Linie auf das 
Unabhängig-Wirkliche geht, also mit der Natur beginnt, 
ist es für den philosophischen Begriff der Wahrheit vielleicht 
die passendste Formel, wenn man sie auf das Verhältnis 
von Geist und Natur bezieht. Allein der Künstler hat es 
thatsächlich nicht immer in der Weise mit der Natur zu 
thun, dass er die Beziehung des Geistes zu ihrem objektiven 
Wesen ausdrückte; Architektur, Musik, Lyrik gleichen sich 
darin, und die letztere hat ‚sicher nur das Verhältnis des 
Geistes zu seinen eigenen Funktionen zum Gegenstand, so- 
fern jedes echte Gedicht den Geist als die frei beherrschende 
Macht seiner Funktionen zeigt. Ich halte also die Vischer- 
sche Definition von der Wahrheit nicht für einen glück- 
lichen Ausdruck!) und so bleiben wir zunächst bei der Be- 
ı) Sie entspringt daraus, dass Vischer, immer etwas im plastischen 
Ideal befangen, der Anschauung zu viel Gewicht beilegt; will er 
doch die ganze Aesthetik mit der Natur der Anschauung beginnen und 
begründen! 
„30
	        
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