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zeichnung: Gehalt des Schönen ist das ewig gleiche Wesen
des Menschen, das wahrhaft Menschliche. Entsprechend
habe ich es schon früher als die Wirkung jeder echten Kunst
bezeichnet, dass sie uns fühlen lässt, wie herrlich es ist, ein
Mensch zu sein. (In dem genannten Programm.)
68. Wie ich nun oben in dem Abschnitt über die Phantasie
zunächst nachgewiesen habe, dass die Phantasie thatsächlich
das beherrschende Prinzip in den Haupterscheinungen des
ästhetischen Lebens, dem‘ Erhabenen, Anmutigen, Schönen
u. s. w. ist, so ist es hier, um zu zeigen, dass in der That
nichts als das Gute und Wahre den Gehalt des Schönen
ausmacht, notwendig, das Verhältnis dieser beiden Ideale zu
jenen ästhetischen Kategorien festzustellen. Dies ist eine
Untersuchung, welche meines Wissens noch nie unternommen
worden ist und die zu merkwürdigen Ergebnissen führt.
Ich beginne mit dem Erhabenen. Man meint gewöhn-
lich, dass die Natur oder irgend ein natürlicher Gegenstand
erhaben sei. Diese Meinung erweist sich bei genauerer
Prüfung als Täuschung. Es ist immer der Geist, welcher
das Gefühl der Grösse weckt. Denn eine Gebirgslandschaft,
die in ihrer geheimnisvollen Stille, ihrer grauenvollen Oede
vor uns liegt, wird nur erhaben, indem sie von dem freien
Geist überschwungen oder durchdrungen wird, und dies wirkt
ein Gefühl von der Grösse des Geistes, welches wir auf die
veranlassende Natur übertragen. Allein diese wird im Er-
habenen selbst vernichtet. Der Geist ruht nicht in der
Erscheinung, sondern er schwingt sich über sie empor. Darum
erschlafft auch das Gefühl sehr bald. Das Erhabene ist nicht
für lange Betrachtung, es wirkt durch Ueberraschung, nur
im ersten Augenblick in seiner vollen Stärke. Man sieht
nun leicht, dass dies Verhältnis allem Erhabenen der Natur
gegenüber gleich bleibt: Der Geist vernichtet das bloss
räumlich Unendliche durch seine innere Freiheit und Unend-
lichkeit. Ganz anders aber wird das Verhältnis, wenn das
KErhabene schon vorher im Subjekt liegt: das Erhabene des
gegen die Natur in Freiheit gesetzten Willens, eines Wil-