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lens, der sich gegen die Schranken der sinnlichen oder die
Gesetze der geistigen Natur in seiner wesentlichen’ Freiheit
behauptet. Hier wird das, was vorher im Subjekt vor-
gegangen ist, im Objekt angeschaut; wie vorher das Sub-
jekt, der Geist, sich ‚in seiner Freiheit gegenüber von der
Natur gefühlt und verwirklicht hat, so fühlt er nun diese
Freiheit objektiv verwirklicht. Fragen wir aber, was denn
eigentlich beim Erhabenen im Subjekt vorgehe, so zeigt
sich, dass beide Formen das, was das formale Wesen
und der Grund alles Sittlichen ist, zum Ausdruck
bringen: die wesentliche Freiheit des Geistes gegen
die Natur.
Die Form des Sittlichen ist Freiheit. Sein Inhalt Liebe
und Hingebung. Wie die erstere ihren charakteristischen
Ausdruck findet im Erhabenen, so die letztere im Anmutigen.
Das Gefühl für das Anmutige beruht auf der Fähigkeit des
Geistes, sich selbst mit andern zu identifizieren, in andere
hineinzulegen; und so ist Güte nichts anderes als die Hinein-
legung der eigenen Seele in die Zwecke der andern, die
Fähigkeit, sich mit andern in eins zu setzen. Auch die
Anmut hat eine Naturform: das reine, unbewusste, von
schlichter Wahrheit erfüllte Sein; das stille, abgeschlossene
Thal, die lieblich abwechselnde Landschaft, die dämmernden
Erlen über dem plätschernden Bach, das Häuschen still und
reinlich aus dem Grünen lugend. Und ganz wie beim Kr-
habenen ist auch hier nicht der Gegenstand selbst anmutig,
sondern das Gefühl der Lust beruht auf dem freien Hinein-
schmiegen des Geistes in.das Begrenzte, Einfache, Schlichte,
seiner Fähigkeit, sich selbst Schranken zu setzen.
Das ist die zweite Aeusserung des sittlichen Geistes... Und
ebenso ist es wieder nur das höchste Ziel des Sittlichen
selbst, welches uns zum Bewusstsein kommt, wenn das sinn-
lich Natürliche ganz vom Geiste beseelt erscheint: wie das
höchste Erhabene ganz von selber das Erhabene des sitt-
lichen Willens ist, so das höchste Anmutige alles das, was
man Unschuld, Güte, kindlichen Sinn, Demut, Andacht