Full text: Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz (1. Band)

oder probiren etwas Anderes oder machen es gerade umgekehrt. 
So beherbergt der Kanton Zug an seinem schönen See augen- 
bliceklich eine kleine Colonie Züricher Millionäre, welche sich der 
Steuerschraube in Zürich entzogen haben. 
Die Schweiz ist ein politisches und sociales Versuchsfeld, 
auf welchem seit Jahrhunderten die verschiedenartigsten Repu- 
bliken friedlich nebeneinander bestehen und zwar bald in mehr 
aristokratischer, bald in mehr demokratischer Form, hier in 
rein städtischen dort in rein ländlichen Verhältnissen, hier als 
repräsentative dort als sog. reine Demokratien, hier mit directer 
dort mit indirecter Wahl der Regierungsbehörden, hier mit der 
Landsgemeindeverfassung dort mit dem Referendum, hier mit 
der Initiative dort mit dem Veto, in andern Kantonen wieder 
ganz ohne das Hülfsmittel der directen Volksabstimmung über 
Gesetze und Steuern. Mehrere kleine Kantone haben mehr 
Aehnlichkeit mit grossen Gemeinden als mit souveränen Staaten 
und richten danach auch ihre Gesetzgebung und Verwaltung ein. 
Diese Verschiedenheit der Formen, diese fortdauernde Um- 
bildung der demokratischen Institutionen und die Thatsache, 
dass viele Kantone auch unter ihren frühern Verfassungen und 
Gesetzen, als man von Referendum und Progressivsteuer noch 
nichts wusste, Grosses für die Freiheit und für den politischen, 
wirthschaftlichen und ideellen Fortschritt geleistet haben, liefern 
den Beweis, dass Glück und Wohlstand der Völker nicht allein 
von ihren Gesetzen und Verfassungsparagraphen, sondern Vor- 
zugsweise von ihren Sitten abhängen. Die Sitten und namentlich 
die in der Schweiz mehr als in andern Ländern bemerkbare Ge- 
wohnheit, den Arbeiter nicht über die Achsel anzusehen und 
jedes Individuum nicht nach Stand und Rang, nicht nach Reich- 
thum und Aufwand, nicht nach Geburt und äussern Ehrenzeichen, 
sondern nach seinen Leistungen im privaten oder öffentlichen 
Leben zu beurtheilen, bilden eine Hauptgrundlage der socialen 
Gesundheit des schweizerischen Volkslebens. Weitere wichtige 
Förderungsmittel dieser Gesundheit sind die Einrichtungen der 
2092
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.