Full text: Arbeiterverhältnisse und Fabrikeinrichtungen der Schweiz (2. Band)

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Hr. Eggeling bemerkt zu seinen Angaben: « Trotz der bedeutenden ic} 
Steigerung der Löhne finde ich, dass dieselben dennoch nicht gestiegen sind ab 
wie die Lebensbedürfnisse. Als ich im Jahr 1858 nach Zürich kam, vers sti 
diente ich 3!/, Fr. per Tag, konnte anständig leben und noch etwas ersparen. N; 
Mein Arbeiter erklärt mir heute, dass, als er vor 5 Jahren nach Zürich K: 
gekommen, er mit 4'/, Fr. pr. Tag weiter gekommen sei als heute mit 6 Fr. wı 
und ich glaube dies auch. Mit einen Grund sehe ich darin, dass die Arbeiter 
heute weniger Zeit als früher arbeiten und in der gewonnenen Zeit nichts lin 
verdienen, sondern ausgeben; denn das ist meine vollste Ueberzeugung, dass zu 
von 100 Arbeitern kaum zehn die gewonnene Zeit zu ihrer geistigen Aus- St. 
bildung benutzen, wie von ihren Wortführern in die Welt hinausposaunt 
wird. 
Bei diesem Anlass will ich noch auf etwas Anderes aufmerksam machen, n 
was mir namentlich in den letzten Jahren vielfach aufgefallen ist. Ich brauche b 
oft Arbeiter oder Lehrlinge und schrieb dies wiederholt im Tagblatt aus. ; 
In der Regel kam Niemand. Es fiel mir dies namentlich auf, wenn ich einen mM 
Lehrling ‚suchte. Den Grund dafür sehe ich darin, dass einerseits Eltern, I 
welche nicht im Stande sind, ihre Knaben in die Secundarschule zu schicken, 7 
sie nicht zu einem Handwerker in die Lehre geben, damit sie ihnen einige 
Franken als Laufburschen oder sonst verdienen, während andrerseits aber . 
auch die Handwerker solche Knaben nicht gerne annehmen, weil sie zu Jung W: 
sind, und in den nächsten Jahren bis zur Confirmation zu viel Zeit durch V. 
die Repetir- und Singschule und durch den Religionsunterricht verlieren. 
Ich sage « verlieren », weil dieses Repetiren nach meiner Ansicht mehr d 
schadet als nützt; denn ein solcher Knabe, welcher die ganze Woche unter 
der Zucht des Meisters steht, hält diese Stunden für Erholungsstunden, wo 5 
in der Regel, weil eine Menge solcher Buben zusammenkommen, nur Allotria 1 
getrieben werden. Diese Knaben werden also entweder Hausknechte, Comptoir- be 
diener, Kellner, Portiers, Knechte, Fabrikarbeiter etc. Die andern Knaben nt 
aber, welche die Secundarschule (vom 12.—14. Jahre) absolvirt haben, halten 
in Folge dessen sich nicht mehr zu einem Handwerk berufen, weil ihnen 
ein Handwerk irrthümlich zu wenig scheint — und gerade diese sind es, St 
aus denen man die rechten Arbeiter, die rechten Meister machen könnte, N 
welche wenigstens später einen rechten Brief zu schreiben und ein rechtes 
Buch zu führen im Stande wären. Denn leider habe ich die Wahrnehmung a 
gemacht, dass bis zur heutigen Stunde mindestens */, der jetzigen Hand- 5 
werksmeister dieses gar nicht oder nur sehr mangelhaft können und doch bt 
ist dies heutzutage von der grössten Wichtigkeit. — Aus diesen Knaben = 
nun werden hauptsächlich unsere sog. Kaufleute gemacht, denen aber in © 
der Regel die nöthige Bildung und das nöthige Zeug zu einem Kaufmann, a 
wie ich mir einen solchen vorstelle, abgeht. Das sind die Kaufleute, welche ( 
mit einem Salair von höchstens 1500—2000 Fr. ihr Leben führen, während 
ein guter Handwerker mehr verdient und unabhängiger ist und Aussicht 
hat, auch einmal selbständig zu werden. Es resultirt nun daraus: Verlange
	        
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