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aber die bittere Nothwendigkeit auch hier Meister und Gesellen
nöthigen, sich entweder an eine selbstgeschaffene, und zwischen
Unternehmern und Gehülfen beiderseitig vereinbarte, oder an eine
gesetzlich sanctionirte Ordnung fest zu binden. . Züricher Hand-
werksmeister haben sich dem Referenten gegenüber namentlich
darüber beklagt, dass jetzt SO viele Gesellen willkürlich ihre
Arbeit verlassen und mit Hinterlassung von Schulden bei Kost-
gebern das Weite suchen, ohne befürchten zu müssen, desshalb
an andern Orten zur Verantwortung g6Z0gEN zu werden. Sie
empfehlen Einrichtungen wie das in Frankreich bestehende Ar-
beitsbuch (Livret d’ouvrier), in welchem doch wenigstens jeder
Arbeitgeber und jede Polizeibehörde die Thatsache bescheinigen,
dass und wie lange Jemand an gewissen Orten gearbeitet habe,
worin eine gewisse Garantie gegen Contractbruch oder betrüge-
risches Weglaufen von einem Orte liege. Referent bemerkt,
dass derartige Einrichtungen von Arbeitsbüchern, worin Eintritt
und Austritt aus einer Fabrik von dem Bezirksamtmann und
dem Fabrikbesitzer bescheinigt werden müssen, auch in der Schweiz
bestehen. (Siehe Fabrikpolizeigesetz des Kantons Aargau und
Formular des Arbeitsbuches in Band I, S. 100.)
Ueber die Vertragsverhältnisse in einzelnen Gewerben sind
dem Referenten folgende Mittheilungen gemacht worden. KEiner
der ersten Schneidermeister Zürichs schreibt uns:
sArbeitscontracte bestehen in unserm Schneiderge-
schäfte nicht. Es gilt bei Stückarbeitern der Grundsatz, dass
gegenseitige Kündigung vorhanden ist, wenn die Arbeit abgeliefert
wird. Bei sog. Wochen- oder auch Tagarbeitern gilt die Kündigung
auf je 8 Tage zum Voraus. Nach meinen Erfahrungen hat das
Nichtvorhandensein schriftlicher Contracte die gleichen Vortheile
und Nachtheile wie das Abschliessen solcher Contraete, da in
der Regel von letzteren keine Notiz genommen wird und sowohl
Tag- als Stückarbeiter in unserm Beruf eine entschiedene Ab-
neigung gegen schriftliche Vereinbarungen bekunden. Bei der
letztern Klasse von Arbeitern wären Verträge auch ohnehin
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