Nicht mehr zur Verbesserung der Eisenbahn-Verbin-
dungen zwischen England und Frankreich würde heute
der Tunnel gern gesehen werden, sondern um dem un-
geheuer angeschwollenen Automobil-Verkehr die Über-
windung der trennenden Meeresstraße zu erleichtern.
Der Gedanke einer Brücke über den Kanal, obwohl er
früher wiederholt eifrig empfohlen und technisch völlig
ausgearbeitet wurde, ist wohl endgültig fallen gelassen,
da eine Brücke nicht nur sehr viel teurer als ein Tunnel,
sondern auch gefährlich für den überaus regen Verkehr
von Schiffen im Englischen Kanal, zumal in Nebel- und
Sturmzeiten, sein würde. Der Tunnel-Idee aber mag
nun im Zeichen des neuen Auto-Massenverkehrs in der
Tat eine fröhliche Wiederauferstehung beschieden sein.
Von den sonstigen genannten Meeres-Untertunne-
lungsplänen haben in immerhin absehbarer Zeit wohl
nur noch der Bosporus-Tunnel und der Gibraltar-Tun-
nel eine bescheidene Aussicht auf Verwirklichung. Der
nicht sehr breite und wenig tiefe Bosporus würde gar
keine Schwierigkeiten bereiten, ja es ist fast erstaunlich,
daß der Tunnel nicht längst gebaut worden ist. Viel-
leicht werden auch hier die Ansprüche des Automobil-
verkehrs stärker als die der Eisenbahnverbindung auf
die Schaffung des Bauwerks hinwirken.
Was aber den Gibraltar-Tunnel betrifft, der etwa auf
der Höhe von Tarifa verwirklicht werden müßte, so
würde er ein technisch recht schwieriges Objekt sein,
da er bis in eine Tiefe von 300 Meter bei einer Gesamt-
länge von rund 40 Kilometer hinuntergeführt werden
müßte. Im Zeitalter des Luftverkehrs besteht an sich
in Friedenszeiten auch kaum irgendein Bedarf nach
einem solchen Tunnel, zumal da der Automobilver-
kehr nach Marokko aus naheliegenden Gründen keinen
großen Umfang hat. Wenn dennoch immer wieder der
Bau des Gibraltar-Tunnels angestrebt wird, so ist daran
ziemlich ausschließlich Frankreichs militärisches Inter-
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