; Unter solchen Umständen ist es gewiß erstaunlich,
daß gar manche Überland-Schienenwege, die als be-
sonders wünschenswert erscheinen mußten, nicht ge-
schaffen wurden und auch heute noch nicht vorhanden
sind. Vor allem gilt dies für den Verkehr zwischen
) Europa und Indien. Vorderindien hat selbst ein groß-
L artiges Eisenbahnnetz, das weitaus bedeutendste von
i Asien überhaupt, das mit einer Gesamtlänge von etwa
65000 Kilometer demjenigen des heutigen Groß-
L deutschlands etwa gleichkommt. Aber dieses große
L Netz ist isoliert und hat nach keiner Richtung eine Ver-
L bindung mit den sonstigen Eisenbahnen der Welt. Die
Seefahrt von Westeuropa nach Vorderindien über den
Suezkanal dauerte zwei bis drei Wochen; eine Eisen-
bahnverbindung hätte gestattet, eilige Reisende und
Postsendungen in etwa einer Woche ihr Ziel erreichen
zu lassen. Und dennoch ist die Überlandbahn nach
Indien nie gebaut worden !
Es waren nicht etwa technische Schwierigkeiten,
die den Bahnbau vereitelt haben. Über den Khaiber-
Paß und die nur mäßigen Gebirgshöhen Afghanistans
hätte die Technik des endenden 19. Jahrhunderts
ohne große Mühe eine Bahnverbindung schaffen
können. Sowohl die russischen wie die englisch-
indischen Bahnen reichten unmittelbar bis zur afgha-
nischen Grenze. Die Verbindung zwischen ihnen wäre
: in wenigen Jahren möglich gewesen. Die Schienen-
lücke zwischen Mitteleuropa und Nordindien war rela-
tiv nicht größer als etwa auf der Bahnstrecke Berlin—
Wien die Entfernung von Dresden bis Bodenbach.
Und dennoch ist diese Lücke nie geschlossen worden,
und sie klafft noch bis auf unsere Tage. Afghanistan ist
noch gänzlich eisenbahnlos ! Der Grund ist allein in
derhohen Politik zu suchen, in dem unablässigen Gegen-
satz zwischen England und Rußland auf asiatischem
Boden. Im Interesse der Sicherheit Indiens wünscht
= ss
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