Full text: Handbuch der technischen Materialwaarenkunde, oder Anleitung zur Kenntniß der Rohstoffe, welche in den Gewerben, Manufakturen und Fabriken verarbeitet und verwendet werden

262 VBegetabilifche Nohftoffe, X, Cap. 
Mittelamerika, woher fie erft feit der neueften Zeit nach Curopa gebracht wird. 
Man Hält fie für geringer al8 die mejicanifhe. 
ce) Spanifhe Cochenille aus dem füdlihen Spanien, wo man fie 
am Malaga und in der Nähe von Cabdix einhHeimifh zu machen gefucht Hat. Die 
politifchen Unruhen Haben diefem Indufiriezweige fehr gefhadet, Die englifhe 
Regierung Hatte auch die Abficht, die Cochenille nach Malta zu verfegen, 
da) Oftindifhe Cochenilke, eine bedeutend f{Hlechtere Sorte von 
geringem Werthe. 
Nach den Unterfudhungen von Belletier und Caventou, welche um 
18418 angeftellt wurden, enthält die Cochenille einen eigenen rofhen Farbitoff, 
Carmin{toff oder Carmine genannt, welcher ihr einen fehr großen Werth gibt; 
denn fie ift unter allen rothen Färbe-Materialien unbedingt das edelfte, befonders 
für die SchafmoNfärberei, obgleich in neuerer Zeit auch das Lac-Dye von Wichtig 
Ffeit geworden ift, und in der BaummwolNfärbherei Das fhSnfte Roth mit Krapp ges 
färbt wird. Noch immer wird viel Cochenille in der Wollen-, Seiden= und Baum 
vollfärberei gebraucht, um Scharlach, Ponceau, Carmoifin 20. zu färben, in der 
Ratunz und Seidendruckeret, ferner zur Darfiellung von Carmin, Carminladt 
(Forentiner, Wiener, Barifer Lack), zu deren Bereitung man viele Vorfchrif- 
en Hat. Sn Frankreich hat man neuerlich aus Cochenille, fo wie aus Kermes, 
Farbhölzern, Safflor 10. Erxtracte in Form von Täfelchen gemacht, wodurch das 
Sarben erleichtert werden foll. 
136. Kerme8 oder Alkermes, au Kermes8- oder Purpurksruer, 
Scharlachbeeren, Carmoifinbeeren, Franz{harlach 3, genannt, 
ind Heine zähe, Häutige, runde, glatte und glänzende braunrothe Körper von 
der Größe der Erbfen, nämlich die getrockneten weiblichen Infecten von Coccus 
lieis, welche auf den Blättern der Stecheiche (Quercus ilex) im {üblichen Curopa 
und in der Levante getroffen werden. Das Wort Kermes Kommt aus dem Arabifchen 
and Gebeutet einen Meinen Wurm. Im Mittelalter nannte man daher diefen Farbftoff 
Vermiculus und im Franzöfi{dhen Vermillon. Im Oriente ift der Kermes {hon feit 
Mofes Zeit Lekannt und eben fo wurde er in Indien fHon im Alterthume zur Seiden- 
ärberei angewendet; auch die alten griechifhen und römifchen Färber Fannten und 
benußten ihn. (Ure.) Das Weibchen Hat Feine Flügel und ift mit einem weißlihen 
Staube bedeckt. E83 febt fihH im März an den Stämmen, Zweigen und hefonders 
an den Blattftielen der Bäume fejt, wird hier befruchtet und fchwillt durch die 
Entwicelung der Eier, deren Zahl fich auf 1800 bis 2000 belaufen mag, zur 
Örofe einer Erbfe auf. Zwifchen der Mitte des Mai und des Juni werden in 
Franfreih, zumal in der Provence, die trächtigen Weibchen gefammelt, durd 
Maceration mit Effig, oder durch Effigdbampf getöbtet und dann gefrodinet; man 
‚äßt aber der nächften Brut wegen einen guten Theil auf den Bäumen zurüd, 
Außer diefer erften Ernte, welche die fhönfte und befte Waare Liefert, wird zU- 
veilen im September noch eine zweite Sammlung gemacht, die aber eine fhwächere 
Farbe gibt, Die damit roth gefärbte Wolle {ft nicht nur fehr fhön, fondern auch 
yauerhaft, wie fich an dem einft fo LGerühmten Benezianer Scharlach und an den 
alten Brüßler und andern niederländifchen Tapeten erfehen Iäßt, die nicht mit 
Tochenille, fondern mit Kerme8 gefärbt find; au Bancroft fchreibt der 
Kermesfarbe eine größere Dauerhaftigkeit zu als der Cochenillefarbe, aber fie ift 
meniger ausgiebig, da 12 Bfd. Kermes erft einem Pfd. Cochenifle gleichfommen. 
In der Scharlachfärberei wird ber Kerme8 nicht mehr angewendet, wohl aber 
zum Färben der rothen türkifchen Kappen, wozu aber auch Krapp gefeßt wird. 
Den meiften Hermes erhält man noch aus Frankreich, befonderS aus Avignon, 
aus Spanien, wo er einft in der Gegend von KXirona gefammelt‘ wurde, aus 
der Levante ıC. 
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