138 Erster Teil. Drittes Buch.
Demgemäfs wurde in Münster angeordnet, dafs nur die Ehe gültig
sei, die zwischen zwei Gläubigen nach der Wiedertaufe geschlossen
worden, dafs ferner Jeder mehr als eine: Frau nehmen dürfe, und dafs
schliefslich jede unverheiratete Frau anzuhalten sei, sich in den Schutz
eines Mannes zu begeben und seinem Haushalte anzuschliefsen. Diese
letzte Bestimmung, welche die Vielweiberei sehr befördern mufste, scheint
aber zu vielen Unzuträglichkeiten Anlafs gegeben zu haben, — wie wir
daraus schliefsen, dafs sie schon nach wenigen Monaten aufgehoben und
dahin umgewandelt wurde, dafs jede unverheiratete Frau das Recht
(statt der Verpflichtung) haben sollte, sich einen Beschützer aus der Ge-
meinde Christi zu erwählen. —
Während Bockelson es unternahm, in so eigenartiger Weise den Bau
der sittlichen Weltordnung zu reformieren, und noch dazu in frechem
Hochmut vermeinte, dafs er das Schicksal der Welt zu tragen habe, —
begann, langsam aber sicher, das Geschick von Münster sich zu erfüllen.
Immer mehr Succurs erhielt Bischof Franz, immer besser gelang es seinen
Truppen, die Blockade durchzuführen, immer unerträglicher ward die
Not in der belagerten Stadt, wo man bereits Ratten, Mäuse, Frösche,
Ochsenhäute und Gras zu essen anfing. Anderseits schlugen alle Ver-
suche, die revolutionäre Bewegung nach den benachbarten Gegenden und
den Niederlanden zu verpflanzen — wodurch späterhin Ersatz möglich
gewesen wäre —, gänzlich fehl. So lassen sich für das Schreckensregi-
ment, das durch Bockelson in Münster eingeführt wurde und jede Art
von Ungehorsam in der Regel durch sofortige Todesstrafe sühnte, gute
Gründe anführen: faktisch diente dasselbe dazu, den Enthusiasmus der
Belagerten wach zu halten und jede Äufserung der Opposition oder der
Mutlosigkeit schnellstens zu ersticken.
Nachdem schliefslich noch von Reichs wegen der Krieg gegen die
Wiedertäufer beschlossen und auch von dieser Seite her das Heer der
Belagerer verstärkt worden, erstiegen diese, durch Verräter über die Parole
der Täufer unterrichtet, in der Johannisnacht (1535) die Mauern und
drangen in die Stadt ein. Hier wütete die rohe Soldateska furchtbar,
metzelte den gröfsten Teil der Einwohner, die übrigens tapfer fochten,
erbarmungslos — zum Teil noch dazu hinterlistig — nieder und plün-
derte, was in ihre Hand fiel. Unter den Gefangenen befand sich der
König nebst seinen vornehmsten Helfershelfern, Knipperdolling und Bernt
Krechting. Sie alle wurden nach furchtbaren Martern hingerichtet; die
Zangen, mit denen sie zu Tode gezwickt wurden, werden noch heutigen
Tages in Münster gezeigt.
Für die schwergeprüfte Stadt aber endete diese revolutionäre Ent-
wickelung damit, dafs der Bischof wieder in sie einzog, im Verein mit
Domkapitel und Ritterschaft sie ihrer bürgerlichen Selbständigkeit be-
raubte und den Katholizismus in ihr von neuem vollständie zur. Herrschaft