Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

4. Kapitel. Der Kommunismus der Wiedertäufer. 141 
Markte oder traten überhaupt bei fremden Arbeitgebern in Dienst. Aber 
Alles, was sie an Geld einnahmen, mufsten sie an ihre Gemeinde — oder 
„Haushabe“, wie sie genannt wurde — abliefern, die sie dafür mit allem 
zum Leben Notwendigen versah. Die Haushabe liefs durch ihren „Wirt“ 
aus der gemeinsamen Kasse Getreide, Vieh, Salz, .Wein, Wolle, Hanf, 
kurz Alles, was man von auswärts brauchte und nicht etwa selbst her- 
stellen liefs, einkaufen und dann — nach der Formulierung ihrer Vor- 
steher — „nach Notdurft an Alle im Hause“ und im einzelnen „nach 
Vermögen (der Gemeinde) und Gebühr austeilen“ —, weshalb z. B. 
die Greise die besten und gröfsten Rationen erhielten. Es waren also 
die nach menschlichem Ermessen vernunftgemäfsen Bedürfnisse 
das Prinzip ‚wonach Jeder seinen. Anteil _an den Resultaten der. Arbeit 
Aller empfangen sollte. Zum Zwecke der gemeinsamen Konsumtion war 
die Haushabe — die auch die Idee des Fourierschen Phalanstere anti- 
eipiert! — derart eingerichtet, dafs sie nur eine Küche, ein Backhaus, 
ein Brauhaus, je ein Speisezimmer für Schüler und Erwachsene, eine 
Wöchnerinnenstube u. s. w. hatte. Für die Kranken waren wieder beson- 
dere Zimmer reserviert, in denen sie von dazu tauglichen Schwestern 
bedient wurden. 
Selbstverständlich lebten diese Taufgesinnten in Monogamie; ja, sie 
hielten aufs strengste auf Zucht und Ordnung im Eheleben und bestraften 
wiederholte Eskapaden auf diesem Gebiete unnachsichtig mit völligem 
Ausschlufs aus der Gemeinschaft. Aber anderseits war das Familien- 
leben doch auf eine andere Basis wie in der herrschenden Gesellschafts- 
ordnung gestellt, da die private Haushaltung ebenso wie die private 
Kindererziehung aufgehoben war, auch die Ehen selbst mit Hilfe der Ge- 
meindevorsteher, unter Ausschlufs der freien Wahl der Männer und Frauen, 
zu stande kamen. 
Besonderes Gewicht mufsten die Brüder, wie leicht zu begreifen, auf 
die Erziehung legen, da die geschilderte Art der Lebensführung den Verzicht 
auf das Ausleben der Individualität und die strengste Unterordnung unter 
die Zwecke der Gemeinschaft erheischte. Darum erforderte dies Gemein- 
wesen eine eigentümliche_Sozialpädagogik.zur.Heranzüchtung brauchbarer 
Gemeindemitglieder, ähnlich wie dies-Plato-für seinen Idealstaat als not- 
wendig erkannt hatte. Die Kinder wurden in Mähren schon mit zwei 
Jahren in die Schule gesteckt, wo sie die Elemente lernten, in guter, wenn 
freilich milder Zucht erhalten und, wie’s scheint, bereits ın jugendlichem 
Alter auch für die gewerbliche Arbeit angelernt wurden. 
Es ist von Wichtigkeit, die obersten Verwaltungsprinzipien dieser 
merkwürdigen Gemeinschaft kennen zu lernen. An ihrer Spitze stand 
ein-Bischof; unter ihm war eine Reihe von „Dienern des Wortes“ thätig, 
teils in den Gemeinden selber als Prediger, teils aufserhalb als Agitatoren, 
um für die gute Sache Anhänger zu werben. Dann gab es noch für die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.