3 Einleitung.
weil eben die Begriffe Sozialismus und Kommunismus faktisch allseitig
auf die verschiedenartigsten sozialen Gebilde angewandt werden, die
unter einander nur in dem von unserer Definition als charakteristisch her-
vorgehobenen Moment übereinstimmen.
Denn das gebildete Publikum wie die gelehrte Welt bezeichnen als
sozialistisch und kommunistisch sowohl den Staat, in dem alle Bewohner
als Beamte angesehen werden, — wie die „freie Gesellschaft“, in der
jeder Einzelne thut, was er mag, Alle mitsamt jedoch den gleichen An-
spruch Aller und insoweit ein Kollektiveigentum respektieren, — wie
endlich jenes Freilandideal, wo blofs das Bodeneigentum auf den
Staat übergegangen ist, sonst aber ın Stadt und Land der individuelle
Betrieb ganz wie heute die Norm bildet.
Wenn sich die wissenschaftliche Definition somit an den Sprach-
gebrauch anschliefst, darf sıe jedoch anderseits nicht Mifsbräuche, die
sich hier und dort eingenistet haben, mit in den Kauf nehmen. Es ist
vielmehr grade die Aufgabe der wissenschaftlichen Definition, den Sprach-
gebrauch von Widersinnigkeiten, die sich etwa eingeschlichen haben, zu
reinigen: und das thut auch in unserem Falle not. Denn das Wort
Sozialismus wird manchmal angewendet, um Bestrebungen zu bezeichnen,
die auf eine obrigkeitliche Intervention zu Gunsten irgendwelcher Klassen
oder auf die Verstaatlichung einiger privaten Erwerbszweige fiskalischen
Interessen zu Liebe gerichtet sind. So konnte der Anhänger des Prinzips
des Laisser - faire Bestrebungen, die auf gesetzlichen Arbeiterschutz ab-
zielten, oder zünftlerische oder schutzzöllnerische Tendenzen oder Projekte
wie das Tabaksmounopol als „sozialistisch“ bezeichnen. Das sind aber
Mifsbräuche, die von der wissenschaftlichen Definition nicht berück-
sichtigt zu werden brauchen, da die Begriffe sich sonst ins Nebelhaft-
Allgemeine verlieren würden.
Damit ist der Umkreis der Lehren, die wir hier zu behandeln haben,
von selbst gegeben: zu unserem Thema gehören alle Gedankenäufserungen,
die den Sozialismus im eigentlichen Sinne, wie wir ihn vorhin festgestellt
haben, als Ideal betrachten, und nur diese, — während alle anderen
Ideen, selbst wenn irgend Jemand sie als „sozlalistisch“ bezeichnet, nicht
in den Bereich unserer Darstellung fallen.
Nun ist aber der Sozialismus nirgendwo und niemals eine isolierte
Erscheinung. Einmal hängt er eng mit den thatsächlich bestehenden
Zuständen zusammen, indem er ihnen als Ideal gewissermalsen von
selbst gegenübertritt, — oder, mit andern Worten, der Sozialismus hat
immer zur Voraussetzung eine zu negativem Ergebnisse gelangte Kritik
der herrschenden Gesellschaftsordnung: und darum wird auch diese
Kritik von unserer Darstellung in vollem Umfange zu berücksichtigen sein.
Ferner stellt sich die Postulierung neuer sozialer Ziele, wie sie schon
im Begriffe des Kommunismus liegen, notwendig als Konsequenz eines