Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

Die Begriffe Sozialismus und Kommunismus. 
umfassenderen Lebensprinzips dar. Wenn man sagt: diese ökonomische 
Institution soll nicht sein, und jene, zunächst blofs gedachte, soll ins 
Leben gerufen werden, — so gehört zur zureichenden Begründung, dafs 
angenommen wird: es solle ein bestimmtes moralisches Axiom auf Erden 
verwirklicht werden, oder gewisse religiöse Ansichten machten jene 
Konsequenz für den Gläubigen notwendig, oder endlich es ergebe sich 
die gewünschte Institution ganz von selbst durch den Zwang der histo- 
rischen Entwicklung. In diesem Sinne bemerkt HEINRICH DIETZEL treffend: 
„Das sozialwissenschaftliche Denken, sofern es auf das soziale Sein- 
sollen sich richtet, drängt zu einer Grundnorm, aus welcher alle Einzel- 
urteile über die Bestände und Bewegungen des sozialen Lebens ihre 
innere Einheit und endgültige Begründung finden. Der menschliche Geist 
ruht nicht eher, als bis er zu einem letzten, obersten, nicht mehr ableit- 
baren Prinzip des Seinsollens sich durchgerungen hat; wie er für die 
Fülle der Naturphänomene zu einer Grundursache beziehentlich einem 
Endzweck strebt, zur causa causans und zur causa finalis, aus deren Ge- 
winnung er ein harmonisches Bild des Seins und Werdens aller Natur- 
stoffe und Naturkräfte sich gestalten möge, — so auch für die Fülle 
der sozialen Phänomene, für das Gebiet menschlichen Handelns, welches 
die Beziehungen zwischen Mensch und Mensch gestaltet“. Und deshalb 
wird sich unsere Darstellung nicht damit begnügen dürfen, volkswirt- 
schaftliche Ansichten zu skizzieren, sondern sie wird auf deren ethisches, 
religiöses oder geschichtswissenschaftliches Fundament, soweit es die 
sozialen Postulate beeinflufst, eingehen müssen. 
Schliefslich sind jedoch auch solche Grundanschauungen nur sub- 
jektiv, nämlich für den Menschen, der sie hat, ein Letztes, — nicht 
aber objektiv, indem der Mensch sich „seine Ideen in einer bestimmten 
Zeit und inmitten einer bestimmten Nation und Gesellschaft gebildet hat, 
deren religiöse Dogmen, philosophische, soziale und politische Traditionen 
und thatsächliche ökonomische und öffentlich-rechtliche Zustände von 
höchster Bedeutung für jene Ideen gewesen sind. Demnach mufs auch 
die Umwelt insoweit in den. Bereich der Betrachtung gezogen werden, 
als es dadurch gelingt, Aufklärung über die ursprünglichen Quellen eines 
sozialen. Ideals zu erhalten. 
Um aber die Ableitung dieses Ideals aus einem Konnex von That- 
sachen und Geistesströmungen recht begreifen zu können, müssen wir zuvor 
klar erkannt haben, wie sich jener merkwürdige Vorgang abspielt, der 
im menschlichen Geiste vom Bilde einer gegebenen Sachlage zur Konzeption 
eines Ideals hinüberführt: und hier wird sich die grofse Rolle der Illusion 
für die Genesis sozlalistischer Ideen ergeben. 
. Der Mensch, der sich in unbefriedigenden Zuständen befindet, be- 
darf, um sich innerlich aufrecht zu erhalten, der Hoffnung, dafs; es ein- 
mal anders und besser werden könne. Dieses psychologische Prinzip,
	        
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