Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

MO Erster Teil. Viertes Buch. 
In diesem Sinne sind auch seine Dichtungen — die ihm ebenfalls einen 
grofsen Namen gemacht haben — abgefafst, aus denen die folgenden 
Verse als Zeugnis dienen mögen: 
„Teurungen, Kriege, Pest, Neid und Betrug 
Und Uppigkeit und Ungerechtigkeit, ; 
Trägheit, Unwürde, — alle wurzeln sie 
In schnöder Eigenliebe. Diese wurzelt 
Tief in Unwissenheit. Unwissenheit, 
Die Mutter Aller, sie entwurzle — ich.“ 
Mit diesen platonisierenden Prinzipien verbanden sich noch chiliastische 
Ansichten, die er aus der christlichen Mystik geschöpft hatte, wie sie ım 
Anschlufs an die Apokalypse vor allem durch Joachim von Floris ent- 
wickelt worden war. 
So stellte er — trotz seiner These, man müsse die Welt durch 
die Sinne begreifen — faktisch ein gänzlich metaphysisches System 
auf, das von den allgemeinsten Begriffen aus zum Kerne aller Dinge 
vorzudringen strebt. Gott enthält danach drei bestimmte Kigenschaften: 
Macht, Weisheit und Liebe. Und da Gott das höchste Sein darstellt, so 
mufs alles endliche Sein, das ja nur eine Einschränkung des höchsten 
Seins ist, auch jene drei Eigenschaften (die sog. „Primalitäten“) enthalten. 
Das heifst also: jedes Ding repräsentiert einmal Macht, indem es besteht 
und wirkt; dann Wissen, indem es sich und die andern Dinge empfindet, 
und endlich Liebe, indem es sich zu sich selber und den verwandten 
Elementen, Gott einbegriffen, hingezogen fühlt. Wie aber dem Sein das 
Nichtsein gegenübersteht, so sind Macht, Weisheit und Liebe durch die 
Eigenschaften des Nichtseins, nämlich Ohnmacht, Unwissenheit und Hafs, 
eingeschränkt, und darin liegt der Urquell alles irdischen Übels. 
Gegenwärtig regiert die Unwissenheit im Bunde mit den anderen 
Übeln, infolge wovon überall Zerrüttung und Verderbnis herrschen. Aber 
schon regt sich allenthalben das Bedürfnis nach dem Siege des Guten, 
worauf Weissagungen, Visionen und die Ergebnisse der Astrologie (deren 
eifriger Anhänger Campanella war) deuten. Ein neues Licht wird an- 
gezündet werden, die Unwissenheit wird zu Grunde gehen, die christliche 
Weltmonarchie wird — durch das spanische Reich — hergestellt werden 
und Eine Heerde unter Einem Hirten, dem Papste, sein. „Der Tag“, 
schreibt er, „wo diese Einheit des Menschengeschlechts sich verwirklichen 
wird, ist nicht fern; angekündigt und vorhergesagt ist er auf jeder Seite 
der Geschichte des 16. Jahrhunderts. Das ungeheure Wachstum der 
spanischen Monarchie ist das Werk Gottes, er hat Europas frömmstes 
Volk gewählt und mit dem göttlichen Siegel gestempelt, um sich seiner 
für seine providentiellen Absichten zu bedienen, er hat ihm die Schlüssel 
der Neuen Welt gegeben, damit überall, wo die Sonne leuchtet, die Reli- 
gion Jesu Christi ihre Feste und Opfer habe. Der katholische König 
soll das &anze Weltall unter seinem Scepter vereinen, sein Titel ist kein 
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