3. Kapitel. Idealgesellschaften der Renaissance. 185
leeres Wort mehr: das Kruzifix in der einen und den Degen in der
andern Hand soll er den Protestantismus und den Islam bekämpfen, bis
sie vom Erdboden verschwunden sind; denn seine Mission besteht darin,
den Triumph der Kirche herbeizuführen.“ Diese soll dann die oberste
Leitung haben, so dafs schliefslich der Papst geradezu als Träger der
Weltherrschaft erscheint und den göttlichen Willen auf Erden zur Er-
füllung bringt. So erwartet Campanella „zur Schande der Gottlosen auf
Erden ein Vorspiel des Paradieses, ein goldenes Zeitalter voller Glück“.
(Campanellas „Atheismus triumphatus“.)
Dasselbe bringt eine totale Umänderung aller bestehenden Institutionen,
— wie selbstverständlich, da heute Unwissenheit, Tyrannei und Heuchelei
am Ruder sind, während ja Weisheit, Macht und Liebe herrschen sollen.
Wie ein solch ideales Regiment nun wirklich aussieht, das erfahren wir aus
seinem Staatsroman über den Sonnenstaat (Civitas Solis vel de Reipublicae
idea, 1620), worin ein genuesischer Seefahrer die idealen Zustände eines Stadt-
staates schildert, den er auf der Insel Taprobane (d. h. Ceylon) angetroffen.
Die Prinzipien dieses Staates sind durch die Ergebnisse von Cam-
panellas Metaphysik bestimmt: das Wissen soll unbedingt regieren, und
im einzelnen soll Alles, was die physische Stärke, die Wissenschaften,
die ästhetischen und technischen Künste, die Ernährung und Erzeugung
der Bewohner angeht, aufs vollkommenste bestellt sein. Das heifst aber
hier: da Gott offenbar die Gattung erhalten will, so soll nicht für das
einzelne Individuum unmittelbar gesorgt werden, sondern für die
Gattung, und darum hat diese selbst, die durch den Staat repräsen-
tiert wird, und nicht das Individuum die erforderlichen Bestimmungen
zu treffen. Die Richtung derselben ist durch den ausdrücklich ausge-
sprochenen Grundsatz angegeben, dafs den Lastern der Menschen durch
die Geschicklichkeit der Behörden vorgebeugt werden müsse. Und da
die Laster ihren Ursprung im privaten Eigentum und in der privaten
Familie haben, so müssen diese aufgehoben werden. An ihre Stelle tritt
Gemeinsamkeit der Produktion, der Konsumtion und der Frauen, wobei
aber dem Belieben des Einzelnen kein Spielraum gelassen, sondern Alles
durch die vom höchsten Wissen geleiteten Behörden im Interesse der
Gattung aufs genaueste geordnet ist. Diese Ordnung selber ist die folgende.
Die Volksversammlung wählt jenen Mann, der alle Kenntnisse und
Tugenden der Solarier in sich vereinigt, auf Lebenszeit zum unbedingten
Herrscher in weltlichen und geistlichen Dingen: ihre Verfassung stellt
also einen Cäsaropapismus dar, gemildert durch Volkswahl und — durch
den freiwilligen Rücktritt des Oberhauptes, sobald sich eine noch kennt-
nisreichere und weisere Person findet. Diese Figur entspricht genau der
Forderung seines metaphysischen Systems, das vom endlichen Sein
dieselben Eigenschaften verlangt, wie vom höchsten Sein, also von
Gott, — blofs mit jenen Einschränkungen, die alles Irdische Gott gegen-