Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

L88 Erster Teil. Viertes Buch. 
und rüstigen Jünglingen, wohlbeleibte Jünglinge mit schmächtigen Jung- 
frauen und umgekehrt u. 8. w.“ 
Die Religion des Sonnenstaates ist eine Art von Theismus, der Jesus 
und die Apostel nur als grofse Wohlthäter der Menschheit gelten läfst. 
„Campanella unterläfst nicht, die Solarier wegen ihrer Unkenntnis der 
wahren Religion zu bedauern, wahrscheinlich aber entspricht die Reli- 
gionsphilosophie und Metaphysik, die er ihnen zuschreibt, im Grunde 
seinen eigenen Ansichten“ (LEexıs in der Abhandlung Campanella, „Hand- 
wörterbuch der Staatswissenschaften“). 
Er sah übrigens auch schon den wichtigsten Einwand voraus, der 
gegen sein — wie gegen jedes andere kommunistische — Projekt ge- 
macht werden kann. Dem Seefahrer, der vom schönen Gemeinschafts- 
leben der Solarier zu berichten weils, bemerkt nämlich ein Zuhörer: 
Bei solchen Institutionen würde doch Niemand arbeiten 
wollen, Jeder sich vielmehr auf die Arbeit des Andern ver- 
lassen, — worauf freilich der Erzähler repliziert: Alle seien eben ihrem 
Vaterlande in wunderbarer Liebe zugethan, was mit ihrer Verachtung 
des Eigentums zusammenhänge. „Sehen wir nicht auch in der Geschichte, 
dafs die Römer ihrem Vaterlande um so inniger zugethan waren, je 
mehr sie das Eigentum verachteten?“ 
Eine Antwort, die damals ebenso wenig wie heute die Bedenken 
gegen den Kommunismus zerstreut haben dürfte, — aber den staaten- 
konstruierenden Optimismus des begeisterten Humanisten, des echten 
Epigonen Platos und Mores, wahrhaft klassisch kennzeichnet! — 
4. Kapitel. Der christlich - kommunistische Staat in Paraguay. 
„Es wird immer schön sein, die Menschen zu regieren, 
um sie glücklich zu machen.“ MONTESQUIEU. 
l. Die Einrichtung des Jesuitenstaates. Wir müssen jetzt für einen 
Augenblick den Schauplatz unserer Erzählung wechseln, um, im Gegen- 
satz zur bısherigen Darstellung der kommunistischen Ideen in der Alten 
Welt, nun einmal die Wirklichkeit des kommunistischen Lebens in 
der Neuen kennen zu lernen: nämlich das Staatswesen der Indianer in 
Paraguay. Wäre dieses autochthon aus dem Kulturleben eines südameri- 
kanischen Volkes herausgewachsen, so würden wir ihm so wenig wie 
etwa dem Inkastaat hier eine Stelle einräumen, — da es aber von Trägern 
europäischer Civılisation errichtet und geleitet worden ist, so gehört es 
prinzipiell ebensosehr in die politische und soziale Geschichte Europas 
wie in die Amerikas. Abgesehen davon erweckt dieser Staat schon darum 
ein ganz besonderes Interesse, weil er in der Weltgeschichte. die-einzige 
kommunistische Gesellschaftsorganisation grofsen Stiles darstellt, deren 
Wesen und Entwıckelung durch das Licht historischer Forschung hin- 
reichend klarzyestellt werden kann.
	        
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