1. Kapitel. Der christlich-kommunistische Staat in Paraguay. 195
Ohrenbeichte ersetzt alle Kriminalgesetze, sie wirft den Schuldigen nieder
zu den Füfsen seiner Obrigkeit; er sucht nicht seine Fehler zu vertuschen,
vielmehr. vergröfsert er sie in seiner Reue. Die Züchtigung, die sonst
überall schreckt, bildet hier gerade seinen Trost.“
2. Des Jesuitenstaates Glück und Ende. Für den Orden gliederte sich
dieser Staat in doppelter Art in das System seiner Zwecke ein: einmal
mehrte er die Zahl gläubiger Katholiken, die ihm anhingen, und dann ver-
mochte er durch die von dort gezogenen Einnahmen die Macht seiner mate-
riellen Mittel zu vergröfsern. Die Jesuiten trieben nämlich im 17. und
18. Jahrhundert eine eigene Kolonialpolitik, da sie in allen Kolonien der
katholischen Reiche und bei verschiedenen anderen Nationen Nieder-
lassungen hatten, die durch Warenhandel dem Orden reiche Mittel in die
Hände spielen sollten. In Paraguay war ihre Maxime, durch Civilisierung
der Guaranıs, die als Menschen gehoben wurden, und durch passende
Organisierung ihrer Arbeits- und Lebensweise einen Profit herauszuschlagen,
— was ihnen auch durch den einträglichen Handel mit Mais, Baumwolle,
Viehhäuten, Zuckerrohr, Paraguaythee und Südfrüchten vollkommen ge-
glückt ist. Das mufste natürlich den Neid und die Habgier der Spanier
erregen: immer wieder tauchte unter diesen die Mär von Goldminen im
Lande auf, deren Existenz vom Orden angeblich verheimlicht würde, um sie
ungestört exploitieren zu können; immer wieder denunzierten die Bischöfe
von Assuncion, die dem Orden wegen der Verweigerung der Zehnten
zürnten, die Jesuiten der Krone, weil sie in Paraguay unchristliche Ein-
richtungen geschaffen hätten; immer wieder erhoben die durch die Kon-
kurrenz der Ordensniederlassungen geschädigten europäischen Ansiedler
die Anklage gegen die Jesuiten, dafs sie ihre geschäftlichen Erfolge nur
einer schonungslosen Ausbeutung der Indianer, die sich zu Tode arbeiten
mülfsten, verdankten. Die Folge davon waren fortwährende Reibungen,
ja zeitweise blutige Kämpfe mit den spanischen Nachbarn, die an der
westlichen Grenze des Landes wohnten. Von Osten her, wo es an die
portugiesischen Besitzungen grenzte, wurde es wiederum durch räuberische
Einfälle der Bevölkerung von S. Paulo heimgesucht, denen das Miliz-
heer der Guaranis in blutigen Schlachten begegnen mufste. Immerhin
gelang es den Jesuiten lange Zeit, aller Anfechtungen Herr zu werden.
Erst als sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts die katholischen Fürsten-
höfe und sogar die Kurie gegen den Orden wandten, war auch das Ende
seiner südamerikanischen Gründung gekommen. Im Jahre 1750 trat
Spanien an Portugal ein Stück von Uruguay, auf dem sieben Missionen
lagen, ab. Die Portugiesen befahlen den Bewohnern auszuwandern, wo-
rauf die Indianer, auf Anstiftung der Jesuiten, zu den Waffen griffen,
um ihr heimisches Land zu verteidigen. Der Krieg endete nach mehr-
jähriger verzweifelter Gegenwehr der Eingeborenen mit dem Siege der
Portugiesen und der gänzlichen Zerstörung der sieben Missionen.
ADLER.’ Sozialismus und Kommunismus.
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