Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

LES Erster Teil. Viertes Buch. 
Die spanische Regierung erhob nun gegen die jesuitischen Missionäre 
in Paraguay die Beschuldigung, dafs sie den Krieg angezettelt hätten; 
und da der Papst überdies schon im Jahre 1741 dem Orden verboten 
hatte, über neubekehrte Völker ein weltliches Regiment aufzurichten, so 
hatte sıe Handhaben genug, um diesem Gemeinwesen den Garaus zu 
machen. Im Jahre 1768 wird vom Könige ein Erlafs unterzeichnet, der 
die Jesuiten aus dem Gebiete des von ihnen geleiteten Staates ausweist, und 
alsbald wird derselbe vom Gouverneur Bucareli mit grofser Härte zur 
Ausführung gebracht, ohne dafs der geringste Widerstand versucht wird. 
Den Eingeborenen aber wird in einem pomphaften Manifest verkündet, 
dafs sie nunmehr die Wohlthaten der ihnen mifsbräuchlich so lange vor- 
enthaltenen „Freiheit“ des Handels geniefsen sollten. „Die Indianer setzten 
der neuen Ordnung der Dinge eine Zeit lang eine Opposition entgegen, 
die sich in rührenden Petitionen an den König um Wiedergabe der Jesuiten, 
um Wiedereinführung der alten Zustände kundgab; dann versanken sie 
völlig in Apathie. Unterdessen war ihr Land schon ruiniert; jeder der 
habgierigen Beamten hatte es so schnell als möglich ausgesogen“ (GOoTHE1N). 
Die Bevölkerung, die in der Zeit der Blüte des Jesulıtenstaates 150000 
Seelen betragen haben mochte, nahm rapid ab, die Indianer verloren ihre 
Arbeitsfreudigkeit, ergaben sich geschlechtlichen Ausschweifungen, wurden 
Vagabunden, — und so verfiel das ganze Gebiet der Missionen, das einst 
der Schauplatz einer blühenden Kultur gewesen, um schliefslich seit Be- 
ginn des 19. Jahrhunderts, bis auf einige armselige Dörfer, dem Urwald 
wiedergegeben zu werden. — 
So ist dies kommunistische Experiment, dem nur von aufsen her 
durch rohe Gewalt ein Ende gemacht worden, durchaus geglückt; und 
trotzdem dürfte es kaum zu Gunsten einer kommunistischen Organi- 
sation der modernen Kulturvölker sprechen, — eher vielleicht zu Gunsten 
der Gesellschaft Jesu. Denn — wie der radikale Sozialist LAFARGUE 
in seinen Studien über diesen Staat sagt — „welcher Ansicht man auch 
über die geheimen Ziele der Gesellschaft Jesu. sein mag: man mufs 
auf alle Fälle die hohe politische Einsicht bewundern, die sie in ihrem 
Werk bethätigte, ebenso wie die Selbstverleugnung, den Mut, das Ge- 
schick, Menschen zu erziehen und zu leiten, und die geduldige Zähig- 
keit der Missionäre, welche die Indianer schulten und regierten.“ Sozial- 
politisch dagegen beweist jenes Experiment nur soviel, dafs der Kom- 
munismus in gröfserem Style recht gut möglich ist in der Form einer 
staatswirtschaftlichen Organisation, wo die Leitung in den Händen von 
Männern ist, deren Autorität unbedingt respektiert wird, während alle 
Unterthanen einer gefügigen, jedes Individualitätsstrebens baren 
Rasse angehören. Und darum ist es höchst bezeichnend, dafs die moderne 
Geschichte kein zweites kommunistisches Staatswesen kennt! 
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