202 Erster Teil. Fünftes Buch.
„dasz er mehr als vier Familien zu behuef dieser fabrique nit an sich
ziehen solle“.
Immerhin darf man die geschichtliche Bedeutung der Manufaktur
nicht überschätzen: selbst im 18. Jahrhundert hat sie sich der natio-
nalen Produktion bei den führenden Kulturvölkern nur stückweise be-
mächtigt und ruht immer noch gleichsam als ökonomisches Kunstwerk
auf der breiten Grundlage des städtischen Handwerks und der häuslich-
ländlichen Nebenindustrien. Sogar in England, wo sie sich noch am
meisten Raum erkämpft hat, ist sie nie so weit Herrin der Situation gxe-
worden, dafs es ihr gelungen wäre, die alten Lehrlingsgesetze mit ihrer
siebenjährigen Lernzeit über den Haufen zu werfen. „Und hätten wir
nicht die Zeugnisse gleichzeitiger Schriftsteller, die einfache Thatsache,
dafs die Manufakturen kurzlebig sind und mit der Ein- oder Auswande-
rung der Arbeiter ihren Sitz in dem einen Land verlassen und in dem
andern aufschlagen, würde Bände sprechen“ (MARrRx).
Aber die Manufaktur schuf, auf einem gewissen Standpunkte der
technischen Entwickelung angelangt, in einem bestimmten Zeitpunkte das
Mittel, das im stande war, über diese Betriebsform hinauszuführen. Ihre
Vollendung hatte sie in den Etablissements erreicht, die bestimmt waren,
der Produktion der Werkzeuge und speciell der bereits in Aufnahme ge-
kommenen komplizierten mechanischen Apparate zu dienen. Hier gelang
es nun, Maschinen zu produzieren und sie immer mehr zu vervoll-
kommnen: von da an datiert die langsam und stetix sich vollziehende
Verwandlung des gröfsten Teiles der Manufakturen in die maschinenartig
betriebene Grofsindustrie, — und so ward das Zeitalter der Manufaktur
durch volle Entwickelung der in ihm liegenden Keime schliefslich sein
eigener Totengräber.
2. Die gewerblichen Arbeiterverhältnisse im Zeitalter der Staats-
allmacht. Das fünfzehnte Jahrhundert und die erste Hälfte des sechzehnten
waren das goldene Zeitalter des deutschen Gesellenstandes gewesen: das
Handwerk war damals überall lohnend, die Arbeit daher sehr gesucht, die
Gesellen lokal und in vielen Branchen sogar über weite Gebiete des Reiches
vorzüglich organisiert, ihr Auftreten vom Geiste der Solidarität beherrscht,
das Ansehen und der Einflufs ihrer Verbände bei den Meistern bedeutend;
— und so hatten die Arbeitsbedingungen eine wesentliche Verbesserung
erfahren, der Lohn war gestiegen, die Arbeitszeit verkürzt und die Ab-
hängigkeit des Gesellen von seinem Meister ganz erheblich gemildert.
Aber mit dem Anbruch der neuen Zeit hebt, wenn auch nur äufserst
langsam sich durchsetzend, eine Reaktion an, die mit der ganzen Rich-
tung der wirtschaftlichen und politischen Entwickelung dieser Zeit eng
zusammenhängt. Diese Entwickelung ist durch den Rückgang der
städtischen und gewerblichen Kultur, etwa von 1350—1700 während.