Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

1. Kapitel. Die soziale Frage im Altertum. 11 
kolonien nannte, war natürlich beim Volke ungemein beliebt, da es seit 
jeher der Wunsch des unbemittelten Atheners war, als selbständiger 
Landwirt ausreichendes Einkommen zu haben. Naturgemäfs setzte es 
aber, wenn es in grofsem Umfange betrieben werden sollte, eine sieg- 
reich expansive und erfolgreich kolonisatorische Thätigkeit voraus: es 
konnte daher von Athen vornehmlich nur auf der Höhe seimer Macht 
(im fünften Jahrhundert) in umfassendem Mafse durchgeführt werden. 
Zumal in dem Vierteljahrhundert, in dem Perikles herrschte, ging die 
Zahl derer, die durch Zuweisung auswärtigen Landes versorgt wurden 
und meist in einen fertigen Bauernhof hineinkamen, in die Tausende. 
Hierbei hatte Perikles mehrere Zwecke im Auge: „seine Absicht war, die 
Stadt von einem arbeitslosen und eben deshalb unruhigen Gesindel zu 
befreien, der Not des Volkes abzuhelfen, zugleich auch eine Art von 
Besatzung unter die Bundesgenossen zu legen und sie durch Furcht von 
Aufruhr abzuhalten“ (PLUuTARCH). 
Auch mit den wunderbaren Bauten, die Perikles ausführen liefs, 
verband er einen sozlalpolitischen Zweck. Das beweist der Bericht 
Plutarchs, der also lautet: „Perikles stellte dem Volke vor, man müsse 
den Überflufs an solche Dinge wenden, von denen man sich für die 
Zukunft unsterblichen Ruhm, für jetzt aber allgemeine Wohlhabenheit 
versprechen könne, weil dabei mancherlei Arbeiten und Geschäfte auf- 
kämen, die jede Kunst erwecken, allen Händen zu thun geben und so 
fast die ganze Stadt in Verdienst setzen würden. Denjenigen nämlich, 
welche die erforderlichen Jahre und Kräfte hatten, verschaffte wohl der 
Kriegsdienst ihren reichlichen Unterhalt aus dem Staatssäckel; allein 
Perikles wollte, dafs die anderen Bürger und Handwerker weder von 
diesem Verdienst ausgeschlossen sein, noch ihn ohne Arbeit bei Mülsig- 
gang erhalten sollten, und gab nun durch Aufführung grofser und an- 
sehnlicher Gebäude dem Volke alle Hände voll zu thun. Die erforder- 
lichen Materialien waren Steine, Erz, Elfenbein, Gold, Eben- und Cypres- 
senholz. Zu deren Bearbeitung gehörten Künstler, Zimmerleute, Bildhauer, 
Kupferschmiede, Steinmetzen, Färber, Goldarbeiter, Elfenbeindreher, Maler, 
Sticker und Drechsler; um sie zu holen und herbeizuschaffen, brauchte 
man zur See Kaufleute, Matrosen und Steuermänner, zu Lande Wagner, 
Fuhrleute, Seiler, Leinweber, Riemer, Wegebereiter und Bergleute. Jede 
Kunst hatte noch, wie ein Feldherr, ein eigenes Heer von gemeinen 
Leuten aus der unteren Volksklasse unter sich, die bei der Arbeit 
als Handlanger dienten. So konnten die mancherlei Verrichtungen über 
jedes Alter und jeden Stand reichlichen Gewinn verbreiten und aus- 
streuen“. Auf diese Weise ward, modern geredet, für gute Konjunkturen 
und günstige Arbeitsgelegenheit für Jeden, der arbeiten wollte, gesorgt; 
denn es ist klar, dafs diese grofsartige Bauthätigkeit indirekt auch andere 
als die unmittelbar in Betracht kommenden Gewerbe anregen mulste.,
	        
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