1 Erster Teil. Erstes Buch.
entfliehen gesucht, — aber sie haben niemals ein eigenes Programm
aufgestellt, niemals eine eigene Partei gebildet, niemals auch nur das
Institut der Sklaverei an sich anzutasten gewagt. Sie geben lediglich
das passive Piedestal für alle Kämpfe um politische und soziale Macht ab.
Das Ideal des freien Mannes mufste darum damals, wo der Klein-
betrieb im Handwerk, Handel und Landwirtschaft die Grundlage der
Produktion darstellte, die wirtschaftliche Selbständigkeit sein: und
damit war ein kommunistisches Programm für die Masse der Bürger von
selbst ausgeschlossen, — wohl aber ist nur zu begreiflich, dafs die Staats-
gewalt häufig genug angerufen wird, seis um in ihrer ökonomischen
Selbständigkeit bedrohte Bürger zu schützen, seis um bisher besitzlose
selbständig zu machen. Daher taucht schon in der ältesten Zeit Athens, auf
die das Licht der Geschichte fällt, das Schlagwort einer neuen Teilung
des Bodens auf, das von Solon mit den Worten zurückgewiesen wird:
„Tyrannei soll nie uns knechten, doch auch nie den gleichen Anteil
An des Ackers fetter Scholle Edle und Gemeine haben.“
Und faktisch kam es ja damals, wenn auch nicht dazu, so doch zu einer
generösen bäuerlichen Schuldentlastung, die die Existenz des Kleinbürger-
standes für Jahrhunderte sicherstellte. So liefert das eben festgestellte
sozialpolitische Prinzip, das sich uns aus der Betrachtung der technischen
Organisation der Produktion im Altertum von selbst ergab, den Schlüssel
zum Verständnis der meisten sozialpolitischen Parteibestrebungen und
gesetzgeberischen Aktionen jener Epoche. Es erklärt die Art der Kolonial-
gründung bei Griechen und Römern, die Aufteilung beträchtlicher Stücke
der eroberten Länder unter die Sieger, die bei den athenischen „Kleruchien“
befolgte Politik, die sozialpolitischen Bestrebungen von Agis und Kleo-
menes in Sparta, die grofsartige Entwicklung des Systems der öffentlichen
Arbeiten unter den hellenischen Tyrannen und unter Perikles, die Ansied-
Jung der römisch-latinischen bäuerlichen Bevölkerung in Mittelitalien und
die Reformbestrebungen der Gracchen.
Nun gabs freilich auch damals ein — zu Zeiten enorm anschwellen-
des — freies Proletariat, das keinerlei Aussicht auf wirtschaftliche Selb-
ständigkeit hatte. Wollte dieses nicht auch nach dem Muster von Aristo-
kratie und Mittelstand die Staatsgewalt für sich in Bewegung setzen?
Allerdings, — aber diese Bestrebungen richteten sich naturgemäfs nicht
auf den fernen kommunistischen Zukunftsstaat, von dem sich das Prole-
{ariat doch keine Vorstellung hätte machen können, sondern auf näher-
liegende Interessen, wie sie durch das Schlagwort „panem et circenses!“
klassische Bezeichnung gefunden haben. Das Proletariat erhielt hier seine
Existenz von Staats wegen sichergestellt — wenn auch freilich bei der
ungeheuren Menge der nach der Futterkrippe Drängenden immer nur in
allerbescheidenstem Umfange — und darüber hinaus noch ein „Recht auf
Vergnügen“ zugebilligt. Die Art der Erfüllung war natürlich nicht immer
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