Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

2. Kapitel. Sozialistische Ideen in Athen, bes. Platos aristokrat. Kommunismus. 23 
„Wie mir scheint, mufs alles Gemeingut sein, teilnehmend ein Jeder an allem, 
Vom Gemeingut Jeglicher leben, und nicht Der reich sein, Jener ein Bettler, 
Nicht der viel Felder besitzen, indes für ein Grab selbst Jenem der Platz fehlt, 
Noch von Sklaven ein Heer Dem dienen, indes nicht Ein Knecht Jenem gehört; 
Nein, Jeglichem werd’ ich dasselbe Geschick und Gemeinschaft Allen bereiten!“ 
/ Alle speisen zusammen; braucht einer ein Gut, so holt ers aus dem Central- 
% magazin. Die nötige Arbeit leisten Sklaven. Dem Bürger bleibt 
) „Nur das eine Geschäft, wenn der Schatten sich streckt, sich geschmückt zum 
S Gelag zu begeben.“ 
Und dies Gelag ist prächtig: 
\ „Man mischt die Becher, reihentlang stehn hinterm Tisch 
Die Salbenmädchen; schon am Feuer ist der Fisch, 
, Der Hase bratet, und der Kuchen im Ofen backt; 
Man wickelt Kränze, und die Aschkastanie knackt, 
Von jungen Mädchen wird ein Schnepfenbein gehackt.“ 
Nachher aber beginnt erst das Leben! Denn auf dem Heimgange be- 
oiebt sich jeder Bürger zu einer Bürgerin. Man höre, wie Praxagora 
das ausmalt: 
„Wir setzen von allem so Jeglichem vor, 
Dafs bespitzt er, das Kränzlein auf dem Ohr, 
Heimwandelt .... 
Und die Weibsen in Gassen und Gäfschen, mit Schrei’n 
Auf Jeden der Kommenden stürmen sie ein, 
Liebkosen und betteln: Bei uns kehr’ ein, 
Drin wartet ein reizendes Jüngferchen Dein!“ 
Um aber im Geschlechtsverkehr eine Ordnung herzustellen, bei der 
sich Niemand zurückgesetzt fühlt, wird angeordnet, dafs zunächst die 
häfsliche Alte ein Anrecht auf den hübschen jungen Mann habe, während 
umgekehrt das junge Mädchen zuerst den Krüppel und Alten versorgen 
mufs, ehe es sich dem schmucken Jüngling widmen darf, 
Der letzte Akt führt dann mit unnachahmlichem Humor und — heute 
freilich nicht mehr gestattetem — Naturalismus einen solchen Abend aus 
dem Leben eines Jünglings vor, der einem drallen Dirnchen beiwohnen 
will, daran aber durch alte Weiber — eine immer bejahrter als die 
andere! — gehindert wird, die ihn der Norm gemäfs mit Beschlag belegen. 
‚Damit schliefst dann das Drama, da nun der Höhepunkt erreicht, 
die Idee des Kommunismus ad absurdum geführt und zugleich der Über- 
mut und die lüsterne Gier des athenischen Pöbels gebrandmarkt sind. — 
2, Die Demokratie in Athen und das Gerechtigkeitsideal der ethischen 
Reformbewegung. Wie das Volk die reichen Leute brandschatzte, kann im 
einzelnen aus den Denkmälern der zeitgenössischen Prosalitteratur erkannt 
werden. Man höre z. B. das ironische Mitleid des Sökrates mit Kritobulos, 
dem „armen reichen Manne“, in Xenophons „Oeconomicus“ an: „Du 
freilich, lieber Kritobulos, scheinst, mir ein ganz armer Mann zu sein und 
fürwahr, manchmal bedauere ich Dich aufrichtig. Denn zunächst sehe 
ich, dafs Du oft und erofsartig opfern mulfst; thust Du es nicht, so ver-
	        
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