Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

25 Erster Teil. Erstes Buch. 
dirbst Du es mit Göttern und Menschen (mit jedem Opfer war nämlich 
eine Speisung der ärmeren Gemeindegenossen verbunden)... Sodann mulst 
Du viele Gastfreunde grofsartig aufnehmen. Ferner mufst Du Deine 
Mitbürger bewirten und ihnen Wohlthaten erweisen; thust Du es nicht, 
so stehst Du allein da. Auch weifs ich, dafs Dir der Staat schon Jetzt 
grofse Verpflichtungen auferlegt, wie: das Halten von Pferden zum Wett- 
rennen, die Kosten zur Ausrüstung eines scenischen Chors, das Besorgen 
der Übungen für die heiligen Spiele, die Verwaltung öffentlicher Ämter; 
bricht aber ein Krieg aus, dann legen sie Dir auch noch auf, eine Triere 
auszurüsten und Sold und Abgaben in solcher Höhe zu entrichten, dafs 
es Dir nicht leicht wird, den Anforderungen zu genügen. Und wenn 
nur Eines ungenügend geleistet schiene, so würden Dich die Athener, 
def’ bin ich gewilfs, so strafen, als hättest Du ihnen das Ihrige gestohlen“ 
(nach HODERMANNS Übersetzung). 
Nicht minder charakteristisch für diese Zustände ist ein launiger 
Passus in Xenophons „Gastmahl“, wo Charmides, ein verarmter Eupatride, 
sich höchlichst erfreut über den Umschwung in seinem Lebensschicksal 
äufsert: „Denn solange ich reich war, schmeichelte ich den Sykophanten, 
weil ich wufste, dafs ein Mann in meiner Lage mehr Schaden von ihnen 
zu befürchten hätte, als umgekehrt sie von mir; und dann legte mir 
der Staat immer neue Ausgaben (in den Liturgien) auf, und verreisen 
durfte ich überhaupt nicht. Jetzt dagegen, wo mir meine Güter nichts 
einbringen, kann ich ruhig und ungestört schlafen; ich besitze das Ver- 
trauen des Staates, Niemand bedroht mich mehr, vielmehr kann ich jetzt 
Andre bedrohen, und so bin ich jetzt wirklich ein freier Mann und kann 
wegreisen oder dableiben, ganz wie es mir pafst. Ja, die Reichen stehen 
jezt vor mir yon ihren Sitzen auf und machen mir auf der Strafse Platz. 
Fürwahr, nun bin ich Herr und früher glich ich einem Sklaven. Damals 
war ich dem Volke.tributär, — und heute ist der Staat mir abgaben- 
pflichtig und ernährt mich“. 
Auf diese Weise wuchs freilich der Antagonismus der Klassen, aber 
nicht weil die Armen immer ärmer und elender, sondern weil die Massen 
immer mächtiger und_selbstbewulster wurden. Das Volk trat in Gegen- 
satz zu den Geschlechtern und den Reichen, nicht weil es von ihnen 
ausgebeutet wurde, sondern weil es danach strebte, sie mit Hilfe der 
staatlichen Machtmittel zu seinem eigenen Profit zu exploitieren. In 
diesem Sinne spricht Plato davon, dafs das Athen jener Tage in Wahr- 
heit zwei Städte darstellte — eine der Armen und eine der Reichen —, 
die/ sich einander, von Herzensgrunde hafsten: ein Gleichnis, das also nur 
äufserlich an das bekannte Wort D’Israelis erinnert, nicht inhaltlich, da 
der englische Autor mit seinem Diktum die moderne Arbeiterklasse als 
verkommen und von den Kapitalisten ausgebeutet charakterisieren will. 
Darum sieht auch die bekannte Schrift des unbekannten Aristokraten 
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