2. Kapitel. Sozialistische Ideen in Athen, bes. Platos aristokrat. Kommunismus. 35
diese — unter Veranschlagung von Krieg, Krankheit u. dergl. — uns
möglichst dieselbe Anzahl von Männern erhalten und so der Staat nach
Möglichkeit weder gröfser werde noch kleiner. Und dann, denke ich,
müssen wir staatliche Lose machen, damit bei jeder Verbindung jener
Schlechtere dem Glück die Schuld beimesse — und nicht der Obrigkeit.
Es scheint eben, dafs hier unsere Herrscher allerlei Täuschung und Be-
trug werden anwenden müssen zum Nutzen der Beherrschten. Und den
Jünglingen, die sich wacker im Kriege oder sonstwo gezeigt haben, sind
auch andere Gaben zwar und Preise zuzuteilen, aber auch eine reich-
lichere Erlaubnis, Frauen beizuwohnen, damit zugleich auch unter gze-
rechtem Vorwande die meisten Kinder von solchen erzeugt werden“.
Durch die geschilderte Gemeinschaft der Weiber und Kinder wird
angeblich erreicht, dafs Regenten und Krieger kein anderes Interesse
kennen wie das Wohlergehen der Gemeinschaft, und dafs alles, was
die Geister trennt, in Fortfall kommt. ‚Denn da mufs doch die höchste
Harmonie hergestellt sein, wo möglichst viele möglichst oft auf die
gleichen Dinge die Worte „mein“ und „nicht mein“ anwenden und daher
alle über dieselben Dinge Freude oder Schmerz erleben, — während
heute Uneinigkeit und Hader auf die Spitze getrieben werden müssen,
wo „einige tief betrübt und andre hocherfreut sind über die gleichen
Begebenheiten im Staate“.
Die Folge ist, dafs im idealen Staate, wenigstens unter den aus-
erwählten Ständen, die Klagen und Rechtsstreitigkeiten, die Gewaltthätig-
keiten und Beschimpfungen ganz von selbst aufhören werden. Solch
ein Leben dünkt unserem merkwürdigem Schwärmer aber ein „Leben
glückseliger denn selbst jenes glückseligste, das die olympischen Sieger
führen“! —
Nun hat Plato bei seinen Plänen aber selbstverständlich nicht blofs
das Wohl der Krieger- und Regentenklasse, sondern das der gesamten
Bevölkerung im Auge. Dieses ergiebt sich aber nach seiner Annahme
in Konsequenz jener Einrichtungen ganz von selber. Denn da die
Weisesten und Tugendhaftesten an der Spitze des Gemeinwesens stehen
und ihre An- und Absichten jederzeit zur Durchführung bringen können,
ohne den geringsten Widerstand zu finden, — 50 ist klar, dafs alle
Mafsregeln der Regierung richtig sind und das Glück Aller verbürgen
müssen. Als wichtigste Mafsregel — und hier zeigt sich abermals der
sokratische Einflufs — dünkt ihm da, dafs man „auch die andern Bürger
Jeden zu dem einen Geschäft, wozu er geeignet, hinbringe, damit Jeg-
licher sich des einen ihm Eigentümlichen befleifsige und nicht Viele,
sondern Einen darstelle“, — was wohl so zu verstehen ist, dafs die
Obrigkeit Jedem seinen Beruf anweisen soll. Weiter ‚ins Detail geht
Plato nicht: von seinem Standpunkte aus ganz mit Recht, da ja seine
Regenten wissen werden, was sie zu thun haben. Doch hat sicherlich