3. Kapitel. Kritische Würdigung des platonischen Kommunismus. 37
Plato hat während des gröfsten Teils seines Lebens gehofft, er
könne die Welt in seinem Sinne bessern und bekehren, und hat! faktisch
an die Realisierbarkeit: seines Ideals geglaubt. Zeitweise hat‘ er sich
sogar in dem Traum gewiegt, dafs er die beiden sizilischen Dionyse in
„philosophische“ Herrscher zu verwandeln vermöchte. Sizilien war wie
kein anderes Land im Kulturleben parallel mit Athen gegangen und hatte
für die platonischen Reformpläne den Vorteil einer starken unverant-
wortlichen Monarchie. An diesen Hof kam Plato zuerst im Jahre 388.
Der Tyrann, der die platonische Philosophie nur als Würze der Tafel‘ zu
geniefsen wünschte, war aber nicht gesonnen, auf die Ratschläge des
immer lästiger werdenden Gastes einzugehen, und so mufste Plato eines
Tages Hals über Kopf abreisen, um nur das nackte Leben zu retten.
Er hätte mit dieser einen Probe eigentlich genug haben können, — aber
trotzdem hat er sich noch zweimal in die Löwenhöhle des sizilischen
Tyrannenpalastes begeben, beide Male mit unmittelbarer Gefahr seines
Lebens und natürlich ohne den geringsten Erfolg für sein sozlalpolitisches
Programm. So kam er schliefslich zur Einsicht, dafs sein Staatsideal
nur „für Götter und Göttersöhne“, nicht für armselige Staubgeborne
passe, und erschöpft zog er sich in seine „Welt der Abstraktion zurück,
deren Seligkeiten er zwar mit glühenden Farben zu malen weils, aber
doch niemals ohne bitteren Schmerz und Groll, dafs es ihm versagt ist,
durch die Verkehrtheit seiner Landsleute, unter ihnen und für sie seine
ethischen Ideale zu verwirklichen“ (FERDINAND DÜMMLER).
3. Kapitel. Kritische Würdigung des platonischen Kommunismus.
„Es giebt keine politische Alchymie, mit deren Hilfe man
im stande wäre, bleierne Instinkte in goldenes Verhalten
umzuwandeln.“ HERBERT SPENCER.
1. Zur Genesis der Politeia. Wir können nunmehr den ganzen durch
Gröfse, Konsequenz und Originalität imponierenden Gedankenbau des
platonischen Idealstaates überschauen. Er stellt sich schon dem ober-
flächlichen Blick als das schroffste Gegenstück zum athenischen Staats-
wesen dar: hier gabs Freiheit, Wahl der Beamten durchs Los, demo-
kratisches Regiment und Lenkung der Staatsangelegenheiten durch das
Interesse, die Laune oder die Willkür des Volkes, dieses „vielköpfigen
Despoten“, — dort herrschten regelnde Vorschriften und strenge Ordnung,
Wahl der Beamten nach der Tüchtigkeit, Regiment der Aristokratie, und
als Leitstern aller Mafsregeln ein erhabenes ethisches Prinzip.
Der Hafs gegen die Demokratie war für den Spröfsling der Eupa-
tridenfamilie durch seine Familientraditionen und die aristokratische Welt,
in der er aufgewachsen, von selbst gegeben. Wir wissen, dafs diese
Opposition der Eupatriden sich ganz offenherzig als Standesinteresse der