Full text: Bis zur französischen Revolution (1. Abteilung, 3. Band, 1. Teil)

3. Kapitel. Kritische Würdigung des platonischen Kommunismus. 89 
Auch hier schlägt er nicht gänzlich unbetretene Bahnen ein; denn 
bereits mehr als ein Jahrhundert früher hatte Pythagoras, dessen Lehre 
Plato genau kannte, Ähnliches gewollt, indem er zunächst in dem von 
ihm gestifteten Orden die unbedingte Herrschaft der obersten, durch 
Tugendübung und wissenschaftliche Forschung ausgezeichneten Leiter 
verwirklichte und dann weiter in den griechischen Kolonieen Süditaliens 
mit seinen Anhängern als Verteidiger einer das Regiment der Besten for- 
dernden und in diesem Sinne aristokratischen Politik auftrat. Überhaupt 
läfst das, was wir von den Pythagoreern wissen, vermuten, dafs Plato 
verschiedene wichtige Züge seines Idealstaates dem pythagoreischen Vor- 
bilde entlehnt hat. So ist vor allem der fundamentale Begriff der Ge- 
rechtigkeit, der in der Politeia seine Verwirklichung finden soll, in der 
Hauptsache pythagoreischen Ursprunges, da schon diese Schule die Ge- 
rechtigkeit als Vergeltung und Ausgleichung im mathematischen 
Sinne definiert hatte (vergl. WILHELM BAUER, Der ältere Pythagoreismus). 
Ferner hatte schon Pythagoras in seinem Orden alle Teilnehmer einer 
strengen Sozialpädagogik unterworfen und nur jene, die alle Prüfungen 
siegreich bestanden, zu den höheren Graden aufsteigen und schliefslich 
an die Spitze treten lassen; ebenso hatte auch er schon ganz besonderen 
Wert auf die Verbindung körperlicher Tüchtigkeit, wie sie dem besseren 
Hellenen ziemte, mit wissenschaftlicher Ausbildung und moralischer Dis- 
ziplin gelegt. 
Dagegen dürfen die specifisch kommunistischen Ideen Platos 
nicht auf Pythagoras zurückgeführt werden, da das, was späte Schrift- 
steller von der Gütergemeinschaft der Pythagoreer erzählen, — nach 
ZELLERS Urteil — ganz sicher fabelhaft ist und auf das Konto der in 
späteren Jahrhunderten stattfindenden Platonisierung der pythagoreischen 
Lehre gesetzt werden mufs. 
Trotzdem sind auch die kommunistischen Ideen im platonischen 
System nicht autochthon, sondern schon vor Plato dagewesen, wie unsere 
Betrachtungen über die Ekklesiazusen ergeben haben. 
Eine weitere Quelle der vorgeschlagenen Institutionen sind, wie schon 
im Altertum bekannt gewesen, gewisse Einrichtungen des spartanischen 
Gemeinwesens, — so die ausgewählte Körperschaft gleichberechtigter 
Bürger, welche, allein für Heer und Regierung bestimmt, einer öffentlichen 
und gleichförmigen Erziehung unterworfen und von jeder Erwerbsthätig- 
keit befreit ist, dann die weitgehende Unterdrückung der individuellen 
Freiheit zu Gunsten des Staatszwecks, die Tischgenossenschaften der Voll- 
bürger und die Eingriffe in das eheliche Leben aus Gründen des staat- 
lichen Interesses. Auch hier knüpft Plato — freilich in ganz origineller 
Weise — an eine in Athen vorhandene starke geistige Strömung an. Denn 
je mehr die Demokratie ans Ruder kam, desto mehr mufste Sparta, das 
bei sich dem freiheitlichen Geiste keinerlei Konzessionen gemacht hatte
	        
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