10 Erster Teil. Erstes Buch.
und. nach wie vor am. aristokratischen Regiment festhielt, den Vertre-
tern konservativer Interessen als Repräsentant der. einzig wahren Ver-
fassung erscheinen: so entstand eine reiche Litteratur, welche die sparta-
nische Verfassung, in die alles Mögliche hineinphantasiert wurde, als
höchstes politisches Ideal pries. Im Vergleich zu dieser unkritischen
Litteratur, die aber ganz dem Sinn seiner aristokratischen Standesgenossen
entsprach, hat sich Plato äufserst reserviert gegen die spartanischen
Einrichtungen verhalten und nur einzelne davon in seinen Idealstaat
hinübergenommen. Immerhin mufste das relativ gelungene spartanische
Beispiel der — an sich schon übertriebenen — hellenischen Idee von der
Staatsomnipotenz Vorschub. leisten, und so ist es vielleicht eine wesent-
liche Ursache dafür gewesen, dafs Plato nirgendwo Bedenken empfunden,
den Staat in alle Lebensverhältnisse. der Individuen eingreifen zu lassen.
Mit anderen Ideen wiederum bewegt sich Plato ganz innerhalb des
Kreises antiker Anschauungen, wie sie damals von allen geteilt wurden:
streng hält er z.B. an der Rassensuperiorität seines Volkes allen anderen
Nationen gegenüber fest; ausschliefslich für die muALG, den griechischen
Stadtstaat, soll sein Ideal Geltung haben, und nirgendwo rüttelt er an der
Institution der Sklaverei.
Eng mit den ästhetischen Ideen gebildeter Hellenen hängt Platos
Sinn für Gleichmafls und Symmetrie zusammen, der möglicher-
weise zur Konzeption der kommunistischen Ideen nicht unwesentlich
beigetragen hat. Auf ihn pafst vorzüglich eine geistreiche Bemerkung,
die GEORG SımMEL gelegentlich gemacht hat: „Am entschiedensten wird
der Einfluls. ästhetischer Kräfte auf soziale Thatsachen in dem Konflikt
zwischen. sozialistischer und individualistischer Tendenz sichtbar. Dafs
die Gesellschaft als Ganzes ein Kunstwerk werde, in dem jeder Teil einen
erkennbaren Sinn vermöge seines Beitrages zum Ganzen erhält; dafs an
Stelle der rhapsodischen Zufälligkeit, mit der die Leistung des Einzelnen
jetzt zum Nutzen oder zum Schaden der Gesamtheit gereicht, eine ein-
heitliche Direktive alle Produktionen zweckmälsig bestimme, dafs statt
der kraftverschwendenden Konkurrenz und des Kampfes der Einzelnen
gegen einander eine absolute Harmonie: der Arbeiten eintrete —: diese
Ideen des Sozialismus wenden sich zweifellos an ästhetische Interessen“.
Ebenfalls an schon vorhandene Ideengänge knüpft das Prinzip von
Platos: Plänen einer veredelten „Menschenzucht“ an, das sich z.B. bereits
bei Theognis angedeutet findet. Freilich hat sich auch hier in der Aus-
arbeitung des sicherlich schon bekannten Gedankens Platos Genie bewährt,
das, so. grofsartige Perspektiven für die Erhöhung: des Typus „Mensch“
eröffnet, — dafs NırTzscHE im platonischen Staat. sogar ausschliefslich
„die: wunderbar grofse Hieroplyphe, einer tiefsinnigen und ewig zu deu-
tenden. Geheimlehre vom Zusammenhange zwischen Staat und Genius“
zu erkennen glaubt. —