Full text: Anpassung der industriellen Arbeit an die psychophysische Beschaffenheit des Menschen

Der Einwand, daß die geteilte Arbeitszeit den Arbeiter un- 
gebührlich lange von Heim und Familie fernhalte, was besonders 
für die Masse der Arbeiter ein großes Opfer bedeute, denen die heutige 
Industriearbeit keine Befriedigung oder Lebensfreude mehr ge- 
währe, spricht nicht gegen die physiologische Forderung aus- 
reichender Pausen und trifft außerdem nicht voll zu. Ist der Körper 
durch eine richtig angewandte Mittagspause, d. h. durch ein 
kräftiges Mahl und kurze Ausspannung aller körperlichen und 
geistigen Kräfte neu gestärkt, dann wird der Arbeiter nach Feier- 
abend viel frischer nach Hause gehen und sich den Seinigen widmen 
können, als nach Schluß der ungeteilten Arbeitszeit, die in der 
Regel eine mehrstündige völlige Entspannung nach sich ziehen 
wird. 
Der zweite Typ, der sich bei der Pausenregelung herausgebildet 
hat, ist die englische oder durchgehende Arbeitszeit, bei der die 
eigentliche Mittagspause wegfällt und durch eine ganz kurze Unter- 
brechung ersetzt wird. Für ıhre Einführung wird ins Feld geführt: 
Vermeidung des durch längere Pausen bedingten Anregungs- und 
Übungsverlustes, Ersparnis des Weges zu und von der Essensstätte, 
Verkürzung der Abwesenheit von zu Hause und dadurch Förderung 
des Familiensinnes, weil der Arbeiter länger im Kreise seiner 
Familie weilen kann. Als weiterer Vorteil wird die Möglichkeit der 
Beschäftigung in Haus und Garten, der sportlichen Betätigung und 
der Weiterbildung angegeben. Ferner wird darauf hingewiesen, daß 
bei den in größeren Städten üblichen Entfernungen zwischen Fa- 
brik und Wohnung auch eine Mittagspause von einer Stunde und 
noch länger zu einer ruhigen Nahrungsaufnahme nicht ausreiche, 
daß vielmehr die Mittagspause nur eine Hetzjagd zur Wohnung und 
wieder zurück bedeute, was die Ermüdung und Anspannung noch 
steigere. Die hastige Nahrungsaufnahme führe außerdem zu Unter- 
ernährung, Magenstörungen, nervösen Beschwerden und dergleichen 
mehr. Ein kleines Frühstück genüge schon, um die zur Mittagszeit 
verminderte Leistungsfähigkeit auf ihren normalen Stand zu 
bringen... Durch das frühere Einnehmen der abendlichen Haupt- 
mahlzeit werde eine ungünstige Einwirkung der späten Abendmahl- 
1 Zentralblatt für Gewerbehygiene und Unfallverhütung, Jahrg. 1925, S. 58. 
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