die sofort eine Neigung unter die Normallinie aufweisen wird, sei
es, daß die Furcht vor neuen Grobheiten ihn an der Entfaltung
seiner vollen Kraft hindert, sei es, daß der Gedanke an eine neue
Stellung die Intensität der Arbeit beeinträchtigt. Als Vorgesetzter
hat man es doch gar nicht nötig, seine Machtfülle durch bärbeißiges
Wesen besonders zu unterstreichen, und persönliche Freundlichkeit
und Güte werden ihre Wirkung um so weniger verfehlen, je größer
der Unterschied zwischen der beruflichen Stellung des Vorgesetzten
und der des Untergebenen ist. Wer trotzdem seine Überlegenheit
durch unfreundliche Behandlung dokumentieren zu müssen glaubt,
handelt unklug, denn er begibt sich auf diese Weise seiner Persön-
lichkeit. Aggressive Grobheit, soweit sie nicht das Ergebnis schlech-
ter Kinderstube oder pöbelhafter Gesinnung ist, dient oft der
Stärkung des mangelnden Selbstvertrauens‘.
Zwar gibt es Arbeiternaturen, die nur durch Gewalt und Härte
zur Pflichterfüllung gezwungen werden können, und auch als Ver-
teidigungsmittel gegen Unverschämtheiten ıst Grobheit durchaus
am Platze. Es sagt ja auch der Volksmund sehr richtig: „Auf einen
groben Klotz gehört ein grober Keil‘. Die Grobheit ist also in erster
Linie ein Abwehrmittel, und schon aus diesem Grunde ist es un-
zweckmäßig, sich ihrer als Angriffswaffe zu bedienen, da sie als
solche eine vollkommen unnütze Kraftvergeudung bedeutet?
Bei der Mehrzahl unserer Arbeiterschaft wird man als Vor-
gesetzter mehr erreichen®, wenn man sich nicht isoliert, sie nicht
von oben herab behandelt, sondern ihr als Mensch gegenübersteht.
Sich menschlich wertvoller, besser zu halten, weil man einem höheren
Stande angehört, zeugt von tiefer Unbildung und Unerzogenheıit.
Den Arbeitern freundlich zu begegnen, bedeutet nicht Lockerung
der Ordnung und der Disziplin, die Voraussetzung für das Gedeihen
eines Betriebes sind. Das Wort, daß Höflichkeit nichts. koste und
alles verschaffe, gilt ganz besonders im Verhältnis vom. Vorgesetzten
zum Arbeiter; denn dieser wird seinen Vorgesetzten als Mann von
vornehmer Gesinnung anerkennen und schätzen. Freundlich-ruhiges
ı Organisation, Jahrg. 1916, S. 128/30.
? Organisation, Jahrg. 1916, S. 128/30.
3 Soziale Praxis, Jahrg. 1926, Spalte 256.
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