Die Methoden der Leistungsveränderung sind insofern unge-
naul, als sie den Einfluß psychologischer Faktoren auf die
Arbeitsleistung unberücksichtigt lassen. Aus dem Arbeitsprodukt
allein läßt sich die Ermüdung nicht bestimmen, sondern Übung und
Geschicklichkeit sowie die Schwankungen der Intensität der
Willensanspannung, die durch Mangel an Schlaf, Blutarmut,
Sorgen usw. hervorgerufen werden, müssen mitgewertet werden.
Auch braucht die Ermüdung sich nicht über den Gesamt-
organısmus zu erstrecken, sondern kann ungleich über den Körper
verteilt sein.
Für alle Methoden der Ermüdungsmessung gilt®, daß sie zwar
bei wissenschaftlich exakter Anwendung die im Laufe eines Tages
sich anhäufende Ermüdung erkennen lassen, aber keine Bestim-
mung der zulässıgen oberen Grenze der Arbeitsintensität gestatten.
Eine Antwort auf die Frage, ob die Ermüdung noch als harmlos,
zulässig oder unzulässig zu bezeichnen ist, können sie uns nicht
geben. Solange dies nicht möglich ist — und bis heute können wir
außer durch den Sprachgebrauch die an und für sich unschädliche
Ermüdung nicht von der schädlichen Übermüdung trennen —
liegt jede rationelle Lösung der Ermüdungsfrage auf Grund ob-
jektiver, gerechter und sachlich-wissenschaftlich begründeter Be-
grenzung der verschiedenen Arten industrieller Arbeit vollständig
ım Bereich der Unmöglichkeit®. Wissenschaftlich fundierte An-
gaben über das tägliche Arbeitsquantum, das bei den einzelnen
Berufsarten gefordert werden darf, ohne Raubbau an der mensch-
lichen Arbeitskraft zu treiben, fehlen fast noch völlig.
Es ist dringend zu wünschen, daß es unseren arbeitsphysio-
logischen Forschungsinstituten mit der Zeit gelingt, Methoden der
Ermüdungsmessung zu finden, die den Arbeiter vor einer früh-
zeitigen Abnutzung seiner Arbeitskraft schützen. Dies um so mehr,
als die zunehmende Spezialisierung der Arbeit, die Erhöhung der
Arbeitseile und die sich hierdurch immer mehr ausbildende Be-
anspruchung eng umschränkter Muskelzüge und Ganglienzell-
+ Soziale Praxis, Jahrg. 1926, Spalte 1212.
* Reichsarbeitsblatt (Nichtamtlicher Teil), Jahrg. 1926, S. 346.
3 E. Atzler, Körper und Arbeit, S. 245.
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