Full text: Anpassung der industriellen Arbeit an die psychophysische Beschaffenheit des Menschen

Aber auch der Arbeitsvorgang selbst! muß so gestaltet werden, 
daß alle ermüdungsbeschleunigenden Einflüsse ausgeschaltet, alle 
ermüdungsverzögernden dagegen gefördert werden. Die Kon- 
struktion der Kraepelin’schen Arbeitskurve zeigt uns deutlich den 
ermüdungsverzögernden Charakter der Übung, die die Tendenz zur 
Vermehrung der Arbeitsleistung hat. Sie beruht auf der leichteren 
psychophysischen Einstellung des Arbeiters auf die zu leistende 
Arbeit und auf der Fähigkeit des Körpers, die bei Wiederholung 
der gleichen Arbeit entstehenden Ermüdungsstoffe rascher zu be- 
seitigen. Durch Schulung der Übungsfähigkeit, durch planmäßige 
theoretische und vor allem praktische Ausbildung in Lehrlingsfort- 
bildungsschulen, Werkschulen, Lehrwerkstätten, durch Mitarbeiten 
in den Betriebswerkstätten unter Anleitung erfahrener Arbeiter 
kann dem frühzeitigen Eintritt der Ermüdung zweckmäßig be- 
gegnet werden. 
Bei der Festlegung eines Arbeitsverfahrens muß der ana- 
tomisch-physiologischen Seite der menschlichen Arbeitsleistung 
gebührend Rechnung getragen werden, wenn überflüssige KEr- 
müdung vermieden werden soll. Der große Einfluß der Statik und 
Mechanik des Muskel- und Gelenksystems auf den räumlich- 
zeitlichen Ablauf der Arbeitsbewegungen und damit auf den Kraft- 
verbrauch im Körperhaushalt läßt eine genaue Untersuchung des 
Arbeitsvorganges unter Beachtung der durch die physiologische 
Forschung festgestellten Gesetzmäßigkeiten geboten erscheinen. 
Die Bewegungsstudien lassen falsche und überflüssige Bewegungen 
erkennen. Bei ihrer Ausmerzung ist jedoch mit größter Vorsicht zu 
Werke zu gehen?, wenn nicht der natürliche Rhythmus des Ar- 
beitenden gestört oder die Arbeit in gesundheitsschädlicher Weise 
intensiviert werden soll. Es ist zu beachten, daß man von einer 
Rationalisierung des Arbeitsverfahrens im physiologischen Sinne 
nur dann sprechen kann, wenn bei gleichbleibendem oder ge- 
ringerem Energieaufwand eine größere Arbeitsleistung erzielt wird. 
Diese Optimalleistungen stehen in bewußtem Gegensatz zu den 
ohne Rücksicht auf den hierfür notwendigen Energieverbrauch 
1 Technik und Wirtschaft, Jahrg. 1919, S. 857. 
2 Soziale Praxis, Jahrg. 1926, Spalte 917. 
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