Eure Cyzellenz De
wollen gütigft geftatten, Ihnen im nachftehenden Auffaß die Gründe darzulegen, die mich bei
ver Herausgabe meines Buches „Der Sleidhberedhtigungswahn (Die Tragödie der Gattung)“,
fhienen im Schaufel-VBerlag, Wiesbaden, leiteten, und daran eine Bitte zu Fnüpfen.
Deutfchland mach” die Fenfter auf!
„Wer die Wahrheit kennet und fpricht fie nicht,
der bleibt fürwahr ein erbärmlicher Wicht.“
Der Menfidh an uns muß fterben, das if Tein Schicfal. Ergeben fügt er fich darein, mandmal aber fieht
er, daß mit ihn die Menfhheit, die Welt untfergeht, und dann will er mit ihr, in ihr leben, unfterblid) fein, Sf diefes
aud) unmöglich, fo betrachtet er e& doch als fein Recht und jeden als Feind, der e$ ihm beffreitet. Aber gerade
diefes unmöglihe Wollen des Menkhen an uns bedeutet die politifhe und wirtfhaftliche Verwirrung auf Erden,
an der mit ihrem verfhiedenen Diefeitsunglück im Gefolge befonders die heutige Epoche fo reich if. Wenn es alfo
den meiften Ländern der Welt heute unbedingt flecht geht, fo liegt es nur daran, daß ihre Bewohner als Menfhen
irrtümlich, verkehrt, unwahr, anftatt frerben zu müffen, Leben wollen. Jedoch, wenn Irren menfhlid, was if
Wahrheit? Kosmopolargefeblich Iautet die Antwort darauf fo:
Srren fig Mann und Weib als Menfhen da, wo fie moralifdh und phofifh, theoretifd und praktifh,
politifd und wirtfhaftlich, fei es ferben müffend, fei es leben wollend, gleich oder eins find, fo als Gefdhlechter
nicht da, wo fie phyfifh und moralifh, praktifh. nnd theoretifh, wirtfhaftliH und politifh, fei e$ leben wollend,
jet e$ fferben müffend, ungleich oder zwei. Es iff eben nicht gut, d. bh. fühlecht, verkehrt, unwahr, daß der Menfkh
allein Jet; durch zweier Zeugen Mund wird allerwegs$ die Wahrheit Fund!
In Wahrheit gibt es alfo überhaupt Feine Menfhen, Jondern nur Gefhlechter, die als abfolut ungleiche
Pole das finnvoll Wahre find. Für den Menfhen aber, der leben ‚will, ift nicht das ewig Männliche und
2wig Weiblidhe das finnvol Wahre, fondern das ewig Menfchlidhe, nicht alfo die reine Gattung die. Krone der
Schöpfung, Jondern der reine Menfh, Für ibn gibt es überhaupt Feine Gegenfäße, nichts Dolares; alles Moralifdhe
und Phyfifhe am Manne und Weibe if ihm „gleih“. Sollen‘ fih doch beide nad) ihm nicht als Gefhlechter, Dua-
fiffen, immer weniger ähneln, Tondern als Menfhen, Moniften, immer mehr eins fein. Für ihn iff ja der ungleiche
Kosmos die Welt, die wert if, daß fie zugrunde geht; ewig glei dagegen fein „Einiger Gott“ und feine „Einige
Natur“, das „Univerfum“, Die Freiheit, die der Menfch meint, if eben die verkehrte, feine Iugend die falfhe, feine
Reinheit die jenfeitige, feine Größe die gemeine, feine Gefundheit die feindliche, furz, Jein Leben das yerverfe; „denn
aus Gemeinem if der Menfh gemacht und die Gewohnheit nennt er feine Amme“ (Schiller).
Das ewig Menfhlihe zieht uns hinab! Am Manne und Weibe kann beides, der gleihe MenfdhH und
das ungleiche Gefhlecht, nicht jung, frei, rein, gefund fein, Leben; beides aber aud) nicht alt, unfrei, unrein, Frank fein,
terben. Das eine an ihnen iff vielmehr unfterblidy auf Koften des anderen. Lebt an ihnen der gleihe Menkh,
jo ffirbt an ihnen das ungleiche Sefhlecht, und umgekehrt, Da aber. das, . was geboren, d, b. durd zweier Zeugen
Mund urkundgegeben wird, grundfäßlic pDpfif und moralifd ein ungleiches Sefhleht, Mann oder Weib if,
)a$ begreiflid) Diesfeitige, weil möglich Differente, demnach nicht grundfäßglich moralifh und phofilh „ein gleicher
Menfidh, Mann und Weib, das unbegreiflich Senfeitige, weil unmöglich Indifferente, fo hat am Manne und Weibe
nicht der gleiche Menfh, fondern das ungleihe Gefhledht das Recht zu leben, bezw. nicht diefes, fondern jener die
Pflicht zu fterben. „Alles Vergängliche if nur ein Sleihnis.“ Die Stelle an uns, wo wir fterblich find, if der gleiche
Menfh. Der gleich menfhlidHe Tod aber verfhlungen in den ungleich gefhlecdhtlidhen Sieg! Der gleich
menfhlihe Tod des Mannes und des, Weibes nämlih das moralifh und phpfifh glei unwahre Mittel für ihren
oapfifh und moralifh ungleich wahren Zweck: ihre, in ihrer phyfifd und moralifch verfhieden gefhlechtlidh gewollten
Sefundheit, Jugend, Freiheit, Reinheit und Größe ihnen bewußt werdende praktif und theoretifü ungleich dies
"eitige Unfierblichfeit, Der gleiche Menfdh muß als das gleich Unwahre, Unricdhtige, Schlechte, Gemeine, Jenfeitige
an uns verfallen, d. h. recht, gefeß- und zwedlos fein, da das ungleiche Gefhledht als das ungleich Wahre, Richtige,
Sute, Ungemeine, Diesfeitige an uns ewig, d. bh. rechte, gefeß- und zwedlich fein will. Und das iff der erkannte Sinn
des Wortes „Stirb und lebe!“, der Sinn des diesfeitigen Lebens, 3. Dh. des Rechtes, das mit uns geboren if.
Die Löfung der Welträtfel, d. h. der fozialen Frage, befteht fomit in der Überwindung der gleihen Welt,
der irrenden Menfhheit, und nichts anderes hat fich der perfönlidhe Gott als Aufgabe geftellt. Macht er e$ doch
yur auf diefem glei unmöglidhen Wege ungleich möglich, unfterblidh, ewig, vollfonımen zu fein. Nach der Kirche
von heute allerdings owferte der Vater feinen Sohn, der ungleich ältere den ungleidh jüngeren Mann, um die