Profeffor
Hans Chriffianfen
Wiesbaden
Wiesbaden, den 10. Februar 193;
Sehr geehrter Herr Reichstagsabgeordneter)
Ich bitte Sie zum richtigen Seile Deutfhlands Kenntnis zu nehmen von dem beifolgenden Offenen Brief an den
Herrn Reihspräfidenten von Hindenburg. Ke mehr Sie diefes als ein Mann tun werden, der wirtfchaftlih und politifd nicht
unbedingt Menfdh, fondern unbedingt Mann fein will, allo praftifü und theoretifh nicht in der verkehrten, jenfeitigen,
unmögliden, fondern in der richtigen, diesfeitigen, möglichen Lebenstendenz if (und in diefer zu fein, darauf Fommt es
ja zu obigem Seile an!), umfo mehr werden aud) Sie die Rechte, die mit jedem Manne und Weibe geboren find, anftatt
als glei menfohlicdhe, als ungleich gel hledhtlidhe anfehen, und zwar als männliche des Mannes und weiblidhe des Weibes
lowohl in moralifher, theoretifher, politifher, als auch in phofildher, praftifher, wirtfhaftlicher Hinficht, Umfo mehr wird aber
auch für Sie der $ 109, Abfaß 2 der Reidhsverf affung, wonach die Gefhlechter grundfäßlich nicht nur gleiche Pflichten ba
ben, gleich find vor dem Gefeß (wogegen nicht3 zu Jagen ift!), fondern auch gleiche Rechte haben, gleich find nach dem Gefeß, ein
abfoluter Irrtum fein, eine reine Sinnlofigfeit, ja in feinen Konfequenzen, den Befürwortern unbewußt, eine Sünde, ein
DBerrat an unferem Volkstum, Wird es Ihnen als ein folder Mann doch zunehmend flar, daß unfere Männer und
Frauen — da gleiche Rechte nur in der Erfüllung ungleicher Pflichten erftrebt werden können! — als Sefhlechter wirthaftlich
ungleich untergehen müffen, indem fie als Menfhen politif&y gleiche Rechte haben wollen, und als Gefhlechter politifh ungleich
untergehen müffen, indem fie als Menfhen wirtfhaftlich gleidhe Rechte haben wollen, die Sleichberechtigung der Reichsverfaffung
'omit, als das verkehrte, jenfeitige, unmögliche Wejentlidhe derfelben, die alleinige Urfacdhe unferes heutigen wirtfhaftlich
und politifd, praktif und theoretifh, phyfifh und moralifdh richtigen Verfals ift, eine Urfache, deren Befeitigung dringend ge
voten, SFolgerihtig muß diefe Urfache durch die wahre Aufflärung unferes Volkstums, d. h. bei feinem Umfhwung aus der
verfehrten in die richtige Lebenstendenz, verfhwinden, Audy Sie tragen wefentlich dazu bei, Deutfhland vom richtigen, diese
leitigen, möglichen Untergang zu retten, wenn Sie dafür eintreten, daß in unferen Parlkamenten, befonders im Reichstag — und
darin befteht die Würde des „Hohen Haufes“! — zunehmend dem Sinn des real und ideal ungleidh gefhledhtlidhen
Cebens Beachtung gefhenkt wird. Diefes gefhieht aber, indem die Herren von rechts, um unbedingt nationale Ariftokraten fein
ju Fönnen, den vorhandenen ungleihen Willen der Herren von Kink$ zu richtig phofifher Sefundung, diesfeitspraktifher Erneuerung
und möglich wirtfhaftlider Befreiung Deutfhlands ebenfo zunehmend achten, wie die Herren von linfs, um unbedingt nationale
Demokraten fein zu Können, den vorhandenen ungleidhen Willen der Herren von recht? zu richtig moraliffher Gefundung, dies:
"eitstheoretifher Erneuerung und möglich politifdher Befreiung Deutfchlands,
Auf Verlangen if der Schaukfel-VBerlag, Wiesbaden. gerne bereit, Ihnen, folange der Vorrat reicht, mein Werk
„Der Sleichberechtigungswahn“ Foftenlos Leihweife zu überlaffen. Überzeugt, daß Sie, wenn auch) heute vielleicht noch Steptiker,
ach eingehenderem Studium meiner Gedankengänge fhließlidh deren unerfhütterlide Logif anerkennen, zum mindeften aber den
on mir vorgefühlagenen MWahrheitsfongreß gutheißen werden, begrüße ih Sie, fehr geehrter Herr Reicdhstagsabgeordneter, als
Ihr ergebener
ge.) Sans Chriftianfen