412 Der Börsenterminhandel in der Rechtsprechung.
Diese Auffassung fand auch in den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetz.
buchs ihren Ausdruck. Die 88 762 und 764 BGB. lauten:
8762: „Durch Spiel oder durch Wette wird eine Verbindlichkeit nicht
begründet. Das auf Grund des Spieles oder der Wette Geleistete kann nicht
deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.
Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der ver-
lierende Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Spiel- oder einer Wettschuld
dem gewinnenden Teile gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere
ür ein Schuldanerkenntnis.“
8764: „Wird ein auf Lieferung von Waren oder Wertpapieren lautender
Vertrag in der Absicht geschlossen, daß der Unterschied zwischen dem ver-
einbarten Preise und dem Börsen- oder Marktpreise der Lieferungszeit von
dem verlierenden Teile an den gewinnenden gezahlt werden soll, so ist der
Vertrag als Spiel anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn nur die Absicht des
einen Teiles auf die Zahlung des Unterschieds gerichtet ist, der andere Teil
aber diese Absicht kennt oder kennen muß.“
Tatsächlich werden in der Praxis Börsengeschäfte, denen von vornherein
die Absicht zugrunde liegt, nur die Differenz zwischen zwei Kursen zu ver-
rechnen, überhaupt nicht abgeschlossen. Wenn A. z. B. RM. 6000 Dresdner
Bank Aktien per Ultimo kauft, so hat er zwar meist nicht die Absicht, die
Stücke am Ultimo abzunehmen, aber er will auch nicht nur den Unterschied
zwischen dem Kurse des Abschlußtages und dem am Ultimo (Lieferungstage)
maßgebenden Kurse verrechnen. Vielmehr richtet sich seine Spekulation
darauf, daß der Kurs an dem von ihm zu bestimmenden Verkaufstage — dem
Tage der Glattstellung des Engagements — höher sein werde, als der des
Kauftages. Den Verkaufstag aber vermag der Käufer zur Zeit des Ankaufs
noch gar nicht anzugeben, weil er nicht weiß, welche Richtung die Kurs-
entwicklung einschlagen wird. Er denkt daher auch nicht an eine Glatt-
stellung zum Ultimo, sondern er will das Engagement häufig über den Ultimo
hinaus prolongieren, weil er erwartet, daß er im nächsten Monat einen höheren
Verkaufskurs erzielen kann. Trotz der somit dem Wortlaut des $ 764 ent-
gegenstehenden Praxis hat das Reichsgericht sehr häufig bei Termingeschäften
angenommen, daß ein Differenzgeschäft schon deshalb vorliege, weil mindestens
eine Partei nicht die Absicht der effektiven Lieferung der Stücke hatte. Als
„Börsenpreis der Lieferungszeit‘“ im Sinne des 8 764 sah es dabei mehrfach
den sogenannten „Liquidationskurs‘“ !) an, obgleich die Abrechnung zu diesem
Kurse am Ultimo gerade dafür spricht, daß das Engagement noch gar nicht
endgültig abgewickelt ist. Die Absicht, die Stücke nicht zu liefern, sondern
aur die Differenz zu verrechnen, hat es namentlich dann als vorhanden an-
gesehen, wenn ein Mißverhältnis zwischen der Vermögenslage des spekulieren-
den Kunden und den von ihm eingegangenen Börsenengagement bestand. Aus
der Tatsache, daß der Kunde nicht genügend Mittel besitzt, um die Stücke
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1) Siehe Seite 468.