Das Buchdruckgewerbe in Hannover.
Von 1 H. Leonhardt, Hannover.
Das nach der Bibel am häufislten vervielfältiste Werk „Die Nachfolse Chrifti” it das erlte Buch, das
auf dem Boden des hannoverlchen Landes ent/tand. Johannes Luce in Lüneburg druckte bereits 1483
diefles bekannte Werk: Thomas a Kempis, de imitatione Chrilti. — Damit wird deutlich, wie fhnell die
Buchdruckerkunft nach der teilweilen Zerftörung von Mainz, der Geburtsltätte derlelben, im Jahre 1462
auch in Niederlachlen Einsans fand. Trobßdem kann das Hannoverland nicht mit den alten deutlchen
Kulturltädten am Main und Rhein und in Süddeutfchland hinfichtlich des Alters der Pflege der Ichwarzen
Kunlt wetteifern. In Bamberg druckte fchon 1450 Albrecht Pfilter, in Straßburg Johann Mentelin ; dort
befanden fich im Reformationszeitalter bereits 12 Druckereien. Neben Straßburg war fleit 1468 Aussburg
eine bedeutlame Druckltadt, und Nürnbers war berühmt durch das Großunternehmen von Anton Koberger
1473 bis 1513), das 120 Prellen befchäftist haben foll. In München wird 1482 zuerlt gedruckt, und in
der Schweiz fand das Buchdrucksewerbe um 1470 Einsans.
Wie unbedeutend erlfcheint hiergesgen die Entwicklung in den Städten Niederdeutfchlands. Die Hanfe-
‚tädte, vor allem Hamburs und Lübeck, machen zwar Ausnahmen, denn in Lübeck ilft bereits 1475 in
"_ucas Brandis ein bedeutender Druckkünftler bekannt geworden. Berlin hat wahrfeheinlich 1424, Masde=
zurs 1486, Braunfchweig 1500 den erlten Drucker belefflen, aber für alle diefe wagemutigen Geilter ilt es
doch bezeichnend, daß fie nur recht kurze Zeit an den senannten Orten tätis gewelen find und dann
‚eils fich anderswo niedergelaflen, teils ihren Beruf wieder aufgegeben haben.
Auch die beiden erlten Jünger Gutenberss in der Stadt Hannover haben diefer bald den Rücken
gekehrt und anderswo ihr Glück verlucht.
Nach 1500 wurde die Reformation in Deutfchland für das deutlhe Buchdrucksewerbe das, was die
Renaillancekultur für das italienifche bedeutet hatte. Nicht nur relisiöfe und theolosifche Abhandlunsen
und Bücher wurden zu Taufenden vervielfältist, auch die sänzlich veränderten politilchen und rechtlichen
Verhältnille in den einzelnen Territorialltaaten brachten ungeheure Mengen notwendiser Arbeit mit lich.
Diefem gelchichtlichen Werdeprozeß verdankt die Stadt Hannover ihren erlten Drucker, Henning Rüdern,
der fich 1544 vorübergehend hier aufhielt. Er war aus Wolfenbüttel infolge der kriegerifchen Unruhen
des fchmalkaldifchen Krieges, der feinem Gönner, Herzog Heinrich, fo übel mitlpielte, fortgezogen, hatte
fich zunächft nach Hildesheim und dann nach Hannover gewandt und kehrte 1549 wieder nach Wolfen=
büttel zurück.
Trob diefer kurzen Zeit, die Henning Rüdem in Hannover weilte, hatte er eine sroße Anzahl von
kulturhiltorifch wichtigen Drucken herausgebracht, u. a. die Kirchenordnung der Stadt Hildesheim, deren
Titelblatt wir hierneben zum Abdruck bringen.
Auch der zweite in Hannover auftretende Buchdrucker Flias Holbein fheint aus Wolfenbüttel zu
tammen, wo wahrlcheinlich fein Vater gleichen Namens leit 1613 eine Offizin befaß, die er teilweile als
:Urltlich beftallter Buchdrucker nach Celle überführte; von dort hat nach feinem 1628 erfolsten Tode fein
Sohn dielen Teil 1636 bis 1639 nach Hannover gebracht, wohin ihn der Plan der Errichtung einer neuen
Refidenz gezogen haben wird. Hier fand er aber offenbar kein rechtes Feld für feine Betätisuns, er kehrte
nach Celle zurück, von wo er feinen Anteil 1651 nach Stade verleste, während der andere Teil in der
Hand feines Bruders (?) Andreas in Celle verblieb.
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