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VIERZEHNHEILIGEN. OFranken BA Staffelstein. — Weber,
Vierzehnheiligen in Frankental 1886. — Keller, Balth, Neumann. — D.
Wallfahrts-K. u. Cistercienserpropstei, Beg. 1743 von Balthasar
Neumann; nach seinem Tode (1753) genau in seinem Sinne weiter-
geführt; voll, 1772. — Die immer weiter ausgreifende Phantasie
des großen Rokokomeisters wagt in diesem Alterswerk ein Äußerstes.
Zwar die Außenansicht verrät noch nichts ungewöhnliches; sie scheint
einer kreuzförmigen Basilika zu entsprechen. Aber das Innere
ordnet sich keiner einzigen bekannten Raumkategorie ein. Es ist
möglich, daß Neumann die erste Anregung von der benachbarten
Klosterkirche Banz empfangen hat; nur erscheint Diexzeenhofers
Kühnheit im Vergleich mit dem, was hier unternommen wurde,
schüchtern. Der erste Anblick läßt das geometrische Prinzip, nach
dem die Gewölbe und ihre Stützen geordnet sein könnten, durch-
aus im Unklaren. Die Gerade kommt nur vor, wo sie statisch
unvermeidlich ist, d.h. als Senkrechte an Pfeilern und Säulen;
alle zur Grundfläche parallel laufenden Linien sind Kurven, und
zwar Kurven zweiter Ordnung, ebenso die Gewölblinien. Nach
und nach entdeckt man dann folgendes (vgl. den Gr. bei Dohme
und Gurlitt): Auf der Mitte der Längsachse steht der Gnadenaltar
der vierzehn Nothelfer; über ihm eine ovale Flachkuppel, von Frei-
pfeilern mit vorgesetzten kolossalen korinth. Säulen getragen; hieran
schließt sich nach der Längsachse im O und W je ein kleineres Oval;
wo sie sich mit dem mittleren tangieren, werden Querachsen gebil-
det; eine kürzere, an die Umfassungsmauer des Längshauses reichende
im W; eine längere, auch nach außen als Querschiff sich geltend
machend, zwischen dem Hauptoval und dem Choroval. Diese Figuren
werden jedoch nur in den Gewölben selbst erkennbar, die Grundriß-
stellung der Stützen bringt von ihnen nur Segmente zur Erscheinung.
Sodann gibt es keine zusammenhängenden Kämpferlinien, da über
allen Intervallen Stichkappen in die Kuppelflächen eingreifen. An
den Kreuzungspunkten der beiden Querräume mit dem Längsraum,
wo man sonst eine zusammenhängende Form oder eine Höhen-
steigerung zu finden gewohnt war, fliehen sich hier die Gewölbe-
linien und sinken sie ein. Im Sinne der Hochrenaissance wäre dies
alles barbarische, antiarchitektonische Willkür; was Neumanz sucht,
ist die Poesie des Geheimnisvollen. Leider hat der Meister in
seinem abstrakt gewordenen Denken durch einige schwere Fehler
sein eigenes Werk gestört. Die ganz entsetzliche Gestalt der
Nebenräume, in denen man auf der einen Seite gerade Linien, auf
der anderen unverständliche Kurven hat, mag noch hingehen. Un-
entrinnbar störend sind aber die Fenstereinschnitte, die völlig außer
Zusammenhang mit dem inneren Rhythmus das Bild an zahllosen
Stellen durchlöchern. Sie sind es auch, die keinen vollen Genuß