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aber sind die Nischen relativ zu hoch geraten. Ein besonders
charakteristisches Element bilden die Fenster: sie sind in allen
Geschossen durch einen Mittelpfosten mit Hermen geteilt, im Erd-
geschoß außerdem durch einen sehr nordisch anmutenden wage-
rechten Zwischensturz. Das sonst in allen Teilen gleichartige System
wird nur an einer Stelle durchbrochen: mit dem Portal des Erd-
geschosses; seine Prachtdekoration ist ausgesprochen nordisch emp-
‘unden, genauer niederländisch. Eine einheitliche Deutung der
Nischenstatuen aus dem humanistischen Gedankenkreise hat K. B.
Stark gegeben. — Ist also die Formensprache des Ottheinrich-
baus, wie im einzelnen leicht noch weiter nachgewiesen werden
kann, nichts weniger als rein italienisch, so hat doch der ent-
werfende Meister engere Fühlung mit der italienischen Renss., als
die meisten Deutschen der Zeit. Sie beruht nicht bloß auf em-
pirischer Kenntnis, sondern auf dem Studium der Theoretiker.
Wo bisher in der deutschen Renss. Pilasterordnungen angewandt
worden waren, waren sie nichts als ein unorganischer Flächen-
schmuck gewesen; hier zum erstenmal werden sie im Sinn der
[taliener als idealer Organismus aufgefaßt. Und zwar, was be-
sonders zu beachten ist, nach dem Prinzip der „rhythmischen
Travee“, das von Bramante herstammte und besonders von seinen
iranzösischen Enkelschülern hochgehalten wurde. (Vgl. in Deutsch-
iand das alte Rathaus in Straßburg.) — Die Einteilung der aus-
gebrannten Innenräume zu beschreiben, würde zu weit führen; be-
merken wollen wir nur noch, daß sie einer eigenen Treppenanlage
entbehrten; es mußten dafür die Treppentürme des gläsernen Saal-
baus und des Ludwigsbaus, zwischen die die Fassade mit so guter
Wirkung eingespannt ist, zur Aushülfe dienen. Genaue Betrachtung
verdienen dann noch die prachtvollen Türgestelle. A. Haupt hat
ihre Ornamentik analysiert. — Ohne Kenntnis sind wir von der
ursp. Form des Daches, also desjenigen Teiles der Komposition,
wo italienische und nordische Anschauung‘ regelmäßig am schärf-
sten in Konflikt gerieten. Ansichten vom E. 16. und A. 17. Jh.,
am genauesten das sog. Wetzlarer Skizzenbuch (vgl. v. Occhel-
häuser in Zeitschr. f. bild. K. 1905) zeigen über der Fassade zwei
deren ganze Breite einnehmende, miteinander verwachsene große
Zwillingsgiebel und ihnen entsprechend zwei Querdächer. Zweifel-
los gehörten diese unstimmigen, in jedem Sinne monströsen Ge-
bilde nicht dem Fassadenmeister, sondern sind in einer späteren
Bauperiode hinzugefügt worden. Vielleicht war bei‘ dem Tode
Ottheinrichs das Dach überhaupt noch nicht ausgeführt, vielleicht
war es inzwischen durch Brand zerstört worden (Dachbrand zu
1569 berichtet, aber ohne Angabe, in welchem Teile des Schlosses).
Die „Wetzlarer« Giebel haben aber nicht lange gestanden. Bei