Ras
326
Ras
Stilcharakter, trotz des Grundrisses, nicht französisch, sondern ita-
lienisch, wie es scheint, durch österreichische Vermittlung. Schon
vor der Rückkehr in sein Land hatte Markgraf Ludwig Wilhelm
(der berühmte kaiserliche Feldherr, im Munde seiner Landeskinder
der „Türkenlouis“) sich mit dem Plan zu beschäftigen begonnen.
Matthia da Rossi, Mitglied einer in Österreich mehrfach vorkom-
menden Architektenfamilie, gilt für den Verfasser des Entwurfs.
Er wird nach 1700 nicht mehr genannt (gestorben?), aber die
Akten enthalten auch weiterhin vorwiegend italienische Namen.
1705, als Rastatt die offizielle Residenz wurde, kann der Bau nicht
sehr weit vorgeschritten gewesen sein. Es war die Zeit des spani-
schen Erbfolgekrieges, Mindestens die Ausstattung fällt erst unter
die Regentschaft der Markgräfinwitwe Auguste Sibylle (1707—26)
and darüber hinaus. Ihren weiblichen Geschmack und ihre böh-
misch-österreichischen Beziehungen (ihre Mutter war eine Lobko-
witz) erkennt man besonders in der im NFlügel untergebrachten
Schloß-K. (1723): große, gediegene Materialpracht, die Altäre aus
buntem Marmor und stucco lustro in feiner Mosaikarbeit, die
Pilaster mit Gold- und Seidenstickerei überzogen, überhaupt eine
Menge eingänglichsten Kleinzierrats, dabei aber doch dank vorzüg-
licher Lichtführung und harmonischen Farbenreichtums eine sehr
geschlossene Gesamtwirkung. Hervorzuheben die Abwesenheit aller
über den Louis XIV. hinausgehenden französischen Anklänge; erst
in dem etwas jüngeren, höchst meisterhaften Schmiedewerk der
Kanzel zeigen sich Rocailleformen. Die Maler waren Joh. Hiebel
und /oh, Ongers, beide vor- und nachher in Böhmen tätig.
Sehr theatralisch, aber auch sehr wirkungsvoll der auf eine hohe
Bühne gestellte, durch zwei Treppen zugänglich gemachte Hochaltar.
Hinter ihm eine Nachahmung der Scala santa in Rom. — Das Schloß
enthält in der Mitte ein Vestibül, hinter demselben ein (jetzt als
Durchfahrt umgeänderter) Gartensaal, seitlich zwei Treppen, die
sich im ersten Obergeschoß in einem Vorsaal vereinigen, aus dem
man in den zweistöckigen Hauptsaal tritt. In diesen Teilen, nicht
minder in den langen Fluchten der anschließenden Gemächer, ein
ungeheurer Reichtum an Stuckdekoration. Viele Jahre sind zur
Ausführung nötig gewesen, aber der Stil hat sich kaum verändert;
ein Kompromis der italienischen mit der französischen Art. An
den Vouten rundplastisch ausgearbeitete Putten, am Spiegel flacheres
Rocaille, die technische Behandlung ausgezeichnet (man beachte
besonders auch die untere Gartenhalle)., Den Wänden fehlt jetzt
die ursp. Bekleidung, Mehrere Prunköfen (einer bez. 1737).
Der große Garten ist zerstört (Exerzierplatz). Seitlich schloß sich
eine zweite Garten- und Terrassenpartie an. Darin das Lusthaus
Pagodenburg, 8Eck mit 4 vorspringenden Armen und die Kap.