Full text: Südwestdeutschland (Band 4)

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Stilcharakter, trotz des Grundrisses, nicht französisch, sondern ita- 
lienisch, wie es scheint, durch österreichische Vermittlung. Schon 
vor der Rückkehr in sein Land hatte Markgraf Ludwig Wilhelm 
(der berühmte kaiserliche Feldherr, im Munde seiner Landeskinder 
der „Türkenlouis“) sich mit dem Plan zu beschäftigen begonnen. 
Matthia da Rossi, Mitglied einer in Österreich mehrfach vorkom- 
menden Architektenfamilie, gilt für den Verfasser des Entwurfs. 
Er wird nach 1700 nicht mehr genannt (gestorben?), aber die 
Akten enthalten auch weiterhin vorwiegend italienische Namen. 
1705, als Rastatt die offizielle Residenz wurde, kann der Bau nicht 
sehr weit vorgeschritten gewesen sein. Es war die Zeit des spani- 
schen Erbfolgekrieges, Mindestens die Ausstattung fällt erst unter 
die Regentschaft der Markgräfinwitwe Auguste Sibylle (1707—26) 
and darüber hinaus. Ihren weiblichen Geschmack und ihre böh- 
misch-österreichischen Beziehungen (ihre Mutter war eine Lobko- 
witz) erkennt man besonders in der im NFlügel untergebrachten 
Schloß-K. (1723): große, gediegene Materialpracht, die Altäre aus 
buntem Marmor und stucco lustro in feiner Mosaikarbeit, die 
Pilaster mit Gold- und Seidenstickerei überzogen, überhaupt eine 
Menge eingänglichsten Kleinzierrats, dabei aber doch dank vorzüg- 
licher Lichtführung und harmonischen Farbenreichtums eine sehr 
geschlossene Gesamtwirkung. Hervorzuheben die Abwesenheit aller 
über den Louis XIV. hinausgehenden französischen Anklänge; erst 
in dem etwas jüngeren, höchst meisterhaften Schmiedewerk der 
Kanzel zeigen sich Rocailleformen. Die Maler waren Joh. Hiebel 
und /oh, Ongers, beide vor- und nachher in Böhmen tätig. 
Sehr theatralisch, aber auch sehr wirkungsvoll der auf eine hohe 
Bühne gestellte, durch zwei Treppen zugänglich gemachte Hochaltar. 
Hinter ihm eine Nachahmung der Scala santa in Rom. — Das Schloß 
enthält in der Mitte ein Vestibül, hinter demselben ein (jetzt als 
Durchfahrt umgeänderter) Gartensaal, seitlich zwei Treppen, die 
sich im ersten Obergeschoß in einem Vorsaal vereinigen, aus dem 
man in den zweistöckigen Hauptsaal tritt. In diesen Teilen, nicht 
minder in den langen Fluchten der anschließenden Gemächer, ein 
ungeheurer Reichtum an Stuckdekoration. Viele Jahre sind zur 
Ausführung nötig gewesen, aber der Stil hat sich kaum verändert; 
ein Kompromis der italienischen mit der französischen Art. An 
den Vouten rundplastisch ausgearbeitete Putten, am Spiegel flacheres 
Rocaille, die technische Behandlung ausgezeichnet (man beachte 
besonders auch die untere Gartenhalle)., Den Wänden fehlt jetzt 
die ursp. Bekleidung, Mehrere Prunköfen (einer bez. 1737). 
Der große Garten ist zerstört (Exerzierplatz). Seitlich schloß sich 
eine zweite Garten- und Terrassenpartie an. Darin das Lusthaus 
Pagodenburg, 8Eck mit 4 vorspringenden Armen und die Kap.
	        
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